Am Hohenneuffen klopfen derzeit Handwerker im Schutz eines Netzes das Mauerwerk auf Schwachstellen ab. Denn der Zahn der Zeit nagt an der Burg.  

Esslingen - Hohenneuffen, Teck, Reußenstein - wie an einer Perlenschnur aufgefädelt, reihen sich drei der malerischsten baden-württembergischen Burganlagen im Landkreis Esslingen aneinander. Doch der Glanz, der vom Steilabfall der Schwäbischen Alb seit Jahrhunderten ins Land hinausstrahlt, wird von immer mehr blinden Flecken getrübt. Der Zahn der Zeit nagt an den mittelalterlichen Gemäuern. Alle drei Burgen sind sanierungsbedürftig - und das kann für die jeweiligen Besitzer zur finanziellen Gratwanderung werden.

 

Sorgenkind Nummer eins im Landkreis ist die Burgruine Hohenneuffen. Seit zwei Wochen nehmen Spezialisten das Mauerwerk der vor rund 900 Jahren gebauten Festung über dem Städtchen Neuffen unter die Lupe. Hitze, Frost und Regen haben bewirkt, dass die mächtigen Mauern buchstäblich aus den Fugen geraten sind. Um eine Gefährdung der Besucher - pro Jahr tummeln sich immerhin rund 250000 Schaulustige auf der Burg - auszuschließen, wird das mit einem großen roten Netz verhängte Gemäuer auf seinen Sanierungsbedarf hin abgeklopft.

Der Begriff Abklopfen ist dabei durchaus auch wörtlich zu verstehen. "Wir haben schon zwei größere Gesteinsbrocken kontrolliert zum Absturz gebracht", sagt Claus Schüßler, der stellvertretende Leiter des Landesamts Vermögen und Bau, das unter dem Dach der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg in Ludwigsburg angesiedelt ist. Als Burgherr ist sich das Land Schüßlers Worten zufolge seiner Verantwortung für das Wohl und Wehe des Hohenneuffen wohl bewusst. "Auf der Basis unserer Untersuchungen wollen wir den Sanierungs- und Finanzbedarf der nächsten Jahre ermitteln", sagt Schüßler, der nicht ausschließen will, dass die Ruine in den kommenden Jahren zu einer Dauerbaustelle werden könnte. Erst zu Beginn des Jahres waren die Sanierungsarbeiten an der Burgbrücke abgeschlossen worden. Mit einem Aufwand von rund 620000 Euro war der Überweg wieder tritt- und damit zukunftssicher gemacht worden.

Gefühl für die Summen

Zwar will man sich in Ludwigsburg mit Prognosen über den künftigen Geldbedarf noch nicht allzu weit aus dem Burgfenster lehnen, doch genügt ein Blick in Richtung des wenige Kilometer Luftlinie entfernten Reußensteins, um ein Gefühl für die Summen zu bekommen, die für die Sanierung mittelalterlicher Wehranlagen in die Hand genommen werden müssen. "Wir gehen von einem Sanierungsbedarf von rund 400.000 Euro aus", sagt Peter Keck, der Sprecher des Landrats Heinz Eininger.

Die Sicherungsarbeiten an der Südmauer der wohl im frühen 14. Jahrhundert erbauten Burg Reußenstein sollen im kommenden Jahr beginnen. Wie viel der Landkreis Esslingen als Besitzer der Burg selbst in die Hand nehmen muss, hängt davon ab, wie erfolgreich mit den Zuschussgebern in Bund und Land verhandelt wird.

Ein Mauerabschnitt ist in die Knie gegangen

 Gleiches gilt für die Burg Teck, die im Jahr von rund 50.000 Gästen besucht wird und geografisch zwischen dem Reußenstein und dem Hohenneuffen liegt. Dort ist vor Jahresfrist ein ganzer Mauerabschnitt in die Knie gegangen. Wie und mit welchem finanziellen Aufwand die seither in der 775 Meter hoch gelegenen Wehranlage klaffende Lücke geschlossen werden soll, darüber sind sich der Schwäbische Albverein als Besitzer und das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg als Bewahrer des historischen Erbes offensichtlich noch nicht ganz einig geworden.

"Uns liegt ein Sanierungsvorschlag vor, mit dem wir uns noch nicht anfreunden können. Wir werden uns in einer Ausschusssitzung in der nächsten Woche mit damit befassen", sagt Wolfgang Würth, der Bausachverständige des Schwäbischen Albvereins. Seinen Worten zufolge könnten die Reparaturkosten durchaus in den sechsstelligen Bereich reichen. Zuletzt hat der Albverein, der auf der inmitten eines Naturschutzgebietes liegenden Teck seit dem Jahr 1955 ein Wanderheim betreibt und auch als Verpächter der Burggaststätte auftritt, die Fenster der Anlage erneuert.

Wirf sie ins tiefe Tal

Reußenstein Schon als Rohbau, so weiß die Sage zu berichten, hatte die Burg Reußenstein ihrem damaligen Bauherren, dem Riesen Heim vom Heimenstein, Probleme gemacht. Niemand hatte den Mut gehabt, den letzten Nagel in schwindelnder Höhe hoch oben am Turm anzubringen. Erst als ein mutiger Handwerker sein Herz in die Hand nahm und frei schwebend, von des Riesen Faust gehalten, den fehlenden Nagel einschlug, zahlte Heim den Menschlein den versprochenen Lohn aus.

Teck Der Dichter Eduard Mörike (1804-1875) hat sich von der Teck zu einem Vers inspirieren lassen, der mit dem Ausruf "Hier ist Freude, hier ist Lust, wie ich nie empfunden! Hier muss eine Menschenbrust ganz und gar gesunden! " beginnt und dessen Schlussempfehlung dem über die Sanierungsnotwendigkeit grübelnden Schwäbischen Albverein auch heute noch als Richtungsweisung dienen könnte: "Lass denn, o Herz, der Qual froh dich entbinden. Wirf sie ins tiefe Tal, gib sie den Winden."

Hohenneuffen Die mächtige Burg ist schon immer auch ein Hort des Gesangs gewesen. Was der Minnesänger Gottfried von Neuffen im 13. Jahrhundert begonnen hat, haben die Delegationen der Nachkriegsländer Baden, Württemberg-Hohenzollern und Südbaden am 2. August 1948 vorerst vollendet. Der Abend, an dem die Weichen für die Landesgründung Baden-Württembergs gestellt wurden, ist der Überlieferung zufolge unter gemeinsamem Singen volkstümlicher Lieder ausgeklungen.