In einem Modellprojekt sollen Jugendliche mit und ohne Behinderung gemeinsam ihre Freizeit gestalten. Auf dem Programm stehen ein Stadionbesuch, ein Flirt-Kurs und vieles mehr.

Esslingen - Junge Menschen, die im Rollstuhl sitzen oder eine geistige Behinderung haben, trauen sich häufig nicht an Freizeitangeboten teilzunehmen, die für Jugendliche ohne Handicap ganz selbstverständlich sind. Die Hemmschwelle zu senken ist das Ziel eines Modellprojekts, das der Stadtjugendring (SJR) Esslingen jetzt gemeinsam mit Partnern startet. „Auf geht’s! Jugendliche mit Behinderung machen sich fit für’s Leben“, lautet der Titel des Angebots.

 

Was würden Jugendliche mit Behinderung in ihrer Freizeit überhaupt gerne machen? Antworten auf diese Frage sammelten die Projektverantwortlichen bei einer Auftaktveranstaltung gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Esslinger Rohräckerschule. Besonders groß ist das Interesse an einem VfB-Stadionbesuch. In der Arena gibt es beispielsweise extra Plätze für Rollstuhlfahrer. Weit oben auf der Liste steht auch ein Theaterkurs. Zusammen mit einem Schauspieler des Stuttgarter Theaters Lokstoff lernen die Teilnehmer in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. Wer möchte, kann dann in einem richtigen Theaterstück auf der Bühne auftreten.

Zusammen kochen und essen verbindet

Am Stadtstrand in der Nähe des Esslinger Bahnhofs soll es im Juni und Juli wieder eine inklusive Disco mit Tanzvergnügen für jeden geben. Hoch im Kurs steht bei Jugendlichen mit Behinderung auch das Flirten. „Bei unserem Flirt-Kurs lernst du wie du Mädchen richtig ansprechen kannst. Oder wie du Jungen richtig ansprechen kannst“, heißt es in der Ankündigung.

Benimmregeln für den Alltag und gesellschaftliche Konventionen vermittelt zudem ein Knigge-Kurs, der ebenfalls Teil des Angebots ist. Da Essen Menschen bekanntlich verbindet, gibt es außerdem auch einen Kochkurs. Jugendliche aus der Rohräckerschule, vom katholischen Jugendreferat Esslingen und dem Jugendhaus Mettingen kochen und essen zusammen.

Kein Platz für Selbstzweifel

Gerade in dieser Disziplin seien Jugendliche mit Behinderung Altersgenossen ohne Handicap häufig ebenbürtig wenn nicht sogar überlegen, weiß Tobias Haas, der als katholischer Seelsorger für behinderte Kinder an dem Modellprojekt beteiligt ist. „Bin ich gut genug?“ Tobias Haas zufolge plagt dieser Selbstzweifel Betroffene sehr oft. Die Folge: Jugendliche mit Behinderungen haben Hemmungen, sich in Freizeitangebote einzuklinken.

Das Selbstvertrauen stärken soll ein Mut-Camp Anfang September. Alleine S-Bahn fahren oder im Hochseilgarten klettern klingt einfach, kostet Jugendliche mit Handicap aber Überwindung. Alle Angebote im Modellprojekt, das vom Land mit 62 000 Euro gefördert wird, sind für alle Jugendlichen offen und gratis. Projektpartner wie das Jugendhaus Mettingen oder der Bund der katholischen Jugend sollen letztlich helfen, für Behinderte „Schneisen“ zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu schlagen, wie der Projektleiter Frank Baumeister vom SJR erklärt.