Esslingen zählt zu den ältesten Weinbauorten Deutschlands, doch die historischen Trockenmauern sind marode. Der Verein Staffelsteiger möchte die historischen Mauern an den Terrassenweinbergen erhalten und gibt Workshops.

Esslingen - Wenn man es richtig macht, dann hält so eine Trockenmauer 100 Jahre“, sagt Otto Rapp. Der 76-Jährige muss es wissen. In einer Winzerfamilie aufgewachsen, hat er das Handwerk früh von seinem Vater gelernt. Als Vorsitzender des Esslinger Staffelsteiger Vereins hat er sich der Aufgabe verschrieben, die historischen Trockenmauern an den Terrassenweinbergen zu erhalten und zu restaurieren.

 

Keine Frage, eine alte Trockenmauer abzutragen und wieder neu zu errichten ist ein Knochenjob. Das merken die Teilnehmer des eintägigen Lehrgangs schnell. Bereits in den Morgenstunden haben sie sich in den Mettinger Steillagen an die Arbeit gemacht. Warm eingepackt bei gerade einmal drei Grad Celsius lauschen sie Otto Rapps Erklärungen und gehen dann ans Werk. Zur Freude aller stellt man fest, dass das Fundament gut ist. Neu errichtet wird eine Hintermauer und die nach außen sichtbare Sandsteinmauer. „Das Wichtige ist die Hintermauer. Die muss gut verkeilt werden“, betont Rapp. Während vorne eine Reihe mit schweren Sandsteinen gelegt wird, füllen die Workshopteilnehmer besagten hinteren Teil mit kleineren Steinen auf. Schichtweise kommt auch Erde hinzu.

Ankersteine sorgen für Stabilität

Die Hintermauer soll den Hangdruck aufnehmen und auch als Dränage dienen. Eine Schrägstellung von etwa zehn Prozent gegen den Berg sowie Ankersteine, die quer zur Mauerrichtung gelegt werden und in das Hintergemäuer hineinragen, verleihen ihr eine zusätzliche Stabilität.

Mit einem Hammer schlägt Michael Langer fest auf das Erde-Stein-Gemisch. So verkeilen sich die Steine besser. Bei den Staffelsteigern ist er seit gut zwei Jahren. „Ich unterstütze gerne ortsansässige Vereine“, sagt der Esslinger. Mit Garten- oder Mauerbau habe der Servicetechniker zwar weder beruflich noch in seiner Freizeit zu tun, „doch ich wollte wissen, wie man das macht“. Zudem sei es schön, wenn er zum Erhalt beitragen könne.

Schotter und Kies sind tabu

Auf Menschen wie Michael Langer ist der Verein angewiesen und auf die finanzielle Unterstützung der Unteren Naturschutzbehörde sowie der Stadt. Nachdem letztere sämtliche Zuschüsse für 2017 gestrichen hatte, wurden im Doppelhaushalt 2018/19 wieder jährlich 30 000 Euro zugesichert – zur großen Freude Rapps. Er hofft, dass möglichst viele Besitzer ihre Mauern wieder auf Fordermann bringen. Wer dies fachgerecht macht, wird finanziell unterstützt, wenn auch viel Eigenleistung gefragt ist. „Mir tut es weh, wenn ich sehe, wie manche Weinberge aussehen“, sagt er. Seine Familie sei bereits seit vielen Generationen in Esslingen im Weinbau. „Wir sind mit den Weinbergen verbunden.“

Esslingen zählt zu den ältesten Weinbauorten Deutschlands. Die Terrassenweinberge der Esslinger Neckarhalde sind laut Rapp viel mehr als nur ein Kulturgut. Sie helfen, Flora und Fauna zu erhalten, bieten wärmeliebenden Pflanzen wie Mauerpfeffer, Mauerraute oder Milzfarn einen Lebensraum – Zuflucht finden ebenso Bienen, Tausendfüßlern und Eidechsen. Damit all diese Lebewesen auch Platz finden, braucht es Hohlräume. Schotter und Kies sowie jegliche Art von Mörtel sollen laut Rapp nicht verwendet werden. Die Sandsteine kommen aus der Umgebung. Aber auch touristisch ist die Neckarhalde eine Attraktion. Entlang der Steillagen verläuft der Esslinger Weinerlebnisweg. Infotafeln verraten Wissenswertes, und Weinerlebnistouren mit Kostproben ziehen jedes Jahr viele Menschen an – für die einen ist dies Naherholung, für die Wengerter eine Anerkennung ihrer Arbeit.