Nach einer emotional geführten Debatte hat der Esslinger Kreistag die neuen Mietobergrenzen beschlossen. Sie legen fest, bis zu welcher Höhe die Mieten für Bedürftige erstattet werden dürfen.

Esslingen - Reicht es, den Buchstaben des Gesetzes Genüge zu tun, oder trägt die Kommunalpolitik auch eine zusätzliche sozialpolitische Verantwortung, wenn es um die Versorgung benachteiligter Gesellschaftsgruppen mit Wohnraum geht? Diese Frage steht hinter dem Streit um die Mietobergrenzen, die der Esslinger Kreistag in seiner Sitzung am Donnerstag ausgetragen hat. Die legen fest, bis zu welcher Höhe der Staat die Mietkosten für Bedürftige übernimmt. Liegt die Miete über dieser Obergrenze, kann die Behörde die Hilfeempfänger auffordern, eine günstigere Wohnung zu suchen.

 

Eine Kreistagsmehrheit ist dem von einem Gutachterbüro im Auftrag der Kreisverwaltung erarbeiteten „schlüssigen Konzept“ gefolgt, das diese Höchstgrenzen jetzt festschreibt. Legt man diese Messlatte an, dann wohnen dem Gutachten zufolge 17 Prozent der aktuell rund 11 000 Bedarfsgemeinschaften in zu teuren Wohnungen. In diesen Fällen müssten die Leistungsberechtigten nachweisen, dass sie zuvor glaubhaft nach einer günstigeren Wohnung gesucht haben.

Landrat: „Niemand muss seine Wohnung verlassen.“

„Niemand muss seine Wohnung bei entsprechender Mitwirkung verlassen“, beteuerte der Esslinger Landrat, Heinz Eininger (CDU). Die aktive Mitwirkung, per Vordruck und laut Eininger „ohne großen bürokratischen Aufwand“, sei allerdings Voraussetzung dafür, dass auch die höhere Miete bezahlt würde. Gleiches gelte, wenn ein Umzug unwirtschaftlich oder gravierende Auswirkungen auf die Lebenssituation habe. „Das trifft vor allem dann zu, wenn Kinder dann die Schule wechseln müssten“, so Eininger.

Kritik gab es vor allem aus den Reihen der SPD und der Linken, die noch Gesprächs- und vor allem Nachbesserungsbedarf sahen. Die Gegner des jetzt verabschiedeten Konzepts machen geltend, dass es den angespannten Wohnungsmarkt im Ballungsgebiet nicht abbildet. So würden die tatsächlichen Mietkostensteigerungen seit dem Jahr 2016 nicht ausgewiesen.

Die Diskussion, bis zu welcher Höhe der Leistungsträger für die Mietkosten für Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger aufkommen muss, ist vom Sozialgericht Stuttgart angestoßen worden. Die Richter hatten im Jahr 2016 geurteilt, dass die Richtlinien des Landkreises Esslingen zu den Mietobergrenzen den Anforderungen des Bundesgerichtshofs nicht entspricht. So seien die Daten zum Wohnungsmarkt nicht repräsentativ und die im Vergleich zu den hinzugezogenen Angebotsmieten wesentlich niedrigeren Bestandsmieten nicht berücksichtig worden.

Wohlfahrtsverbände melden Zweifel an

Das jetzt verabschiedete Konzept fußt den Worten des Esslinger Landrats, Heinz Eininger, zufolge auf der Basis von 13 500 Datensätzen. Die Baugenossenschaften und 8000 Privathaushalte seien um Mitwirkung gebeten worden. „Wir bewegen uns mit diesem Konzept auf der Basis des Rechts und im Mittelfeld vergleichbarer Landkreise in der Region“, so der Kreischef unter Hinweis auf die durchschnittlich siebenprozentige Erhöhung der Obergrenzen. Im Vorfeld der Kreistagsdiskussion hatten Wohlfahrts- und Sozialverbände im Landkreis Zweifel angemeldet. Auch die vier Oberbürgermeister der Großen Kreisstädte Esslingen, Ostfildern, Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt formulierten in einem offenen Brief die Sorge, die Obergrenzen könnten die Obdachlosigkeit in ihren Städten befördern. Einer Befürchtung, der sich verspätet auch der Oberbürgermeister von Nürtingen, Otmar Heirich (SPD), angeschlossen hatte.

Nicht gerade emotionsdämpfend hatte dem Vernehmen nach auch das Auftreten der Berichterstatter des Gutachterbüros Rödl & Partner gewirkt. Deren Gebaren in der nichtöffentlichen Sitzung des zuständigen Sozialausschusses war von vielen Ratsmitgliedern als flapsig und hochnäsig empfunden worden.