Eine Agentur versucht herausfinden, wo die unsichtbaren Barrieren zur kulturellen Teilhabe liegen.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Warum besuchen manche Menschen regelmäßig Kulturveranstaltungen und manche genauso regelmäßig nicht? Zu dieser Frage hat die Stuttgarter Agentur Kulturgold im Auftrag der Stadt Esslingen Daten erhoben. Ihren Zwischenbericht hat die Agentur jüngst im Kulturausschuss präsentiert.

 

Demzufolge hat Kulturgold bereits 15 Esslinger Experten zum Thema kulturelle Bildung und Teilhabe befragt, zurzeit sind Kultur-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen an die Reihe. Die Ergebnisse dieser Online-Umfrage werden in einem weiteren Zwischenbericht zusammengefasst, der wiederum zur Sitzung des Kulturausschusses am 4. März präsentiert wird. Den nächsten Baustein bilden vier bis sechs Gruppendiskussionen, bei denen vor allem Menschen eingeladen werden, die wenig mit Kultur zu tun haben. Dabei will Kulturgold herausfinden, was die Bürger davon abhält, ins Theater oder ins Konzert zu gehen. „Wir haben festgestellt, dass die finanzielle Hürde nur eine von ganz vielen Hürden ist bei der Teilhabe am kulturellen Leben der Stadt“, sagt Jonas Pirzer vom Kulturamt.

Die Teilhabe stärken

Anschließend gibt es im Sommer einen eintägigen, breit angelegten Abschlussworkshop. Im Herbst wird dann auch ein Abschlussbericht vorliegen, der erste konkrete Empfehlungen für den Gemeinderat und die Kultureinrichtungen gibt, wie sie eine Teilhabestrategie schmieden können. Dazu Jonas Pirzer: „Wir wollen konkrete Maßnahmen darstellen sowie neue Allianzen und Modellprojekte entwickeln.“

Denn eine Öffnung des kulturellen Angebots ist für die Stadtverwaltung ein Win-win-Geschäft: die Esslinger Museen, Theater, Kinos und Lesesäle werden voller und haben mehr Einnahmen, die Besucher haben ein reicheres Leben und Denkanstöße. Die Teilhabe an der Kultur könnte auch der Kitt sein, der die Stadtgesellschaft zusammenhält. Der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger formulierte es so: „Kunst und Kultur sind unverzichtbar für ein funktionierendes Gemeinwesen“, allerdings sei die vielfältige Esslinger Stadtgesellschaft noch nicht ausreichend im kulturellen Leben repräsentiert.

Dass die Stadtverwaltung Esslingen die Teilhabe an der Kultur stärkt, scheint ihr eine Herzensangelegenheit zu sein. Dabei geht es nicht nur um Menschen, für die das böse Wort von den „bildungsfernen Schichten“ geprägt wurde, es geht auch um Manager, die noch nie einen Konzertsaal von innen gesehen haben.

Erste Anstrengungen 2017

Schon im Jahr 2017 hat die Stadt erste Anstrengungen unternommen, um die unsichtbaren Hürden zur Kultur einzureißen. Aus dem Konzept von damals wurde 2018 die Stelle von Jonas Pirzer geschaffen, der sich hauptsächlich mit Teilhabe befasst. Er soll die überwiegend punktuellen Vermittlungsmaßnahmen bündeln, und seitdem erarbeitet das Kulturamt im Verbund mit dem Sozial- und dem Schulamt sowie Vereinen und Gruppierungen eine Esslinger Teilhabestrategie. Die Agentur Kulturgold liefert dazu den Input. Sie hat dazu etliche Erfahrungen gesammelt bei den Kulturkonzeptionen Kassel, Heilbronn und Kempten sowie in Böblingen und vor allem in Ludwigsburg, als es darum ging, die Schlossfestspiele ins Visier zu nehmen. Die Festspiel-Gesellschaft wollte wissen, warum die Leute nicht zu ihren Kleinkunstveranstaltungen gehen. Nur über eine Befragung noch nicht erreichter Zielgruppen konnten Informationen beispielsweise zu den Besuchsbarrieren erhalten werden. Dabei hat Kulturgold die Fragebögen entwickelt und ausgewertet.