Der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) Esslingen senkt zum neunten Mal in 13 Jahren die Müllgebühren. Doch über dem Müllhorizont hängt ein Damoklesschwert.

Esslingen - Im Kreis Esslingen sinken die Müllgebühren für Privathaushalte. Für alle, die diese Aussage schon einmal gehört zu haben glauben: der Eindruck täuscht nicht - es ist die neunte Senkungsrunde in den vergangenen 13 Jahren.

 

Durchschnittlich knapp neun Prozent weniger berechnet der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) Esslingen, eine 100-prozentige Tochter des Landkreises, den Kreishaushalten künftig für die Müllabfuhr im Jahr - und das für einen Zeitraum, der sich bis in das Jahr 2015 erstreckt. Der vom Esslinger Kreistag in der jüngsten Sitzung erfreut zur Kenntnis genommenen Gebührenkalkulation zufolge kostet die vierwöchige Leerung einer 80 Liter fassenden Mülltonne künftig nur noch 41,40 Euro. Im laufenden Jahr sind dafür noch 45,60 Euro in Rechnung gestellt worden.

Die erneute Senkungsrunde führt Rolf Hahn, der Leiter des Abfallwirtschaftsbetriebes, auf die steigende Zahl an Kunden in dem noch von Zuwanderungsgewinnen profitierenden Landkreis Esslingen zurück. "Vor allem bei den Handwerkern und im Kleingewerbe schreiben wir Zuwächse. Nachdem das Müllgeschäft bis zu einem Anteil von 70 Prozent von Fixkosten geprägt ist, tun uns die anwachsenden Behälterzahlen doppelt gut", sagt Hahn. Die steigende Zahl von Neukunden und die guten Erlöse im Altpapier- und Schrotthandel hat Hahn in seine Vierjahreskalkulation einarbeiten können.

Lob für die Müllpolitik des Abfallwirtschaftsbetriebes Esslingen

Die aktuelle Gebührensenkung könnte allerdings die vorerst letzte bleiben. Über dem Müllhorizont hängt ein Damoklesschwert: Verlieren die Landkreise den Zugriff auf Wertstoffe wie Papier, Schrott und Kunststoff, würde eine zuletzt munter sprudelnde Geldquelle versiegen. "In der vergangenen Kalkulationsperiode haben wir allein im Altpapierbereich Mehrerlöse in Millionenhöhe erwirtschaftet", verdeutlicht Rolf Hahn die Dimension.

Hatten Hahns Gebührenrechner ihrem Mehrjahresplan damals einen Durchschnittspreis von 70 Euro pro Tonne zugrunde gelegt, so wird Altpapier derzeit mit 130 Euro pro Tonne gehandelt. Allerdings geht Hahn davon aus, dass die auf Betreiben des Landes Baden-Württemberg ins Leben gerufene Bundesratsinitiative den Privatisierungsbestrebungen des Bundestags im Wertstoffbereich einen Riegel vorschieben wird.

Wie nicht anders zu erwarten, haben die Redner der großen Fraktionen im Kreistag der Müllpolitik des Abfallwirtschaftsbetriebs beste Noten ausgestellt. Das noch nicht benötigte Nachsorgegeld in Fotovoltaik-Felder auf verfüllten Deponien anzulegen oder, wie geplant, in ein Windrad am Weißen Stein bei Plochingen, hat in der Ratsrunde einhellige Zustimmung gefunden.

Wasser in den Wein haben nur die Grünen gegossen. "Es wird auch in unserem Landkreis viel zu wenig Wert auf die Vermeidung von Müll gelegt", kritisierte die Grünen-Fraktionschefin Marianne Erdrich-Sommer. Müll gar nicht erst zu produzieren sei nicht nur das ökologisch vernünftigste Verhalten, sondern auch die ökonomisch billigste aller Varianten.

Aus der Deponienachsorge ist eine Energievorsorge geworden

Sinkflug Nachdem die Gebührenzahler im Landkreis vor 20Jahren auch für mögliche Folgekosten für die Deponienachsorge aufkommen mussten, hat sich die Lage mittlerweile entspannt. Hatte ein Musterhaushalt (vier Personen, 80-Liter-Tonne, vierwöchige Leerung, 60-Liter-Biotonne) im Jahr 1998 für die Leerung der Mülleimer noch 207Euro im Jahr zu bezahlen, werden es vom 1. Januar 2012 an nur noch 87,60 Euro sein.

Höhenflug Der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) , der zu 100 Prozent dem Kreis gehört, ist seit zehn Jahren schuldenfrei. Das Geld, das als Vorsorge für Nachbesserungen auf den als Zeitbomben angesehenen Deponien auf die Seite gelegt worden ist, will der AWB unter anderem in Fotovoltaikanlagen investieren. Derzeit wird zudem geprüft, ob sich ein Windrad auf der Deponie Weißer Stein an der Schurwaldkante lohnen könnte.

Blindflug Das Vorhaben des Bundestags, die Wertstoffeinsammlung dem privaten Markt zu überlassen, wird von den Kreistagsfraktionen durch die Bank kritisiert. Der Esslinger Landrat Heinz Eininger bezeichnet den Gesetzesvorstoß als "Diktat der Privatisierung um jeden Preis". Er befürchtet, dass die Privaten sich die Rosinen aus dem Wertstoffkuchen picken könnten und der Abfallwirtschaftsbetrieb auf seinen Kosten sitzen bleibt.