Weltweit gibt es zwei wandernde Hutmacherinnen. Eine davon arbeitet gerade in Esslingen. Wir stellen die 25-jährige „Eva Freie Fremde Hutmacherin“ vor.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Unzählige Städte, unzählige Straßen hat Eva in den zwei Jahren ihrer Wanderschaft bereits gesehen. Jetzt guckt sie auf die Webergasse in Esslingen, denn sie arbeitet bis Mitte Dezember bei der Modistin Birgit Sophie Metzger. Der Beruf der Hutmacherin oder Modistin ist selten und eine wandernde Modistin ist noch seltener. Sie ist eine von weltweit zwei Hutmacherinnen, die zur Zeit auf Wanderschaft sind, um in den Betrieben Deutschlands und Europas ihr handwerkliches Können zu vergrößern. Übersehen aber kann man Eva, die unter ihrem selbst gewählten Namen „Eva Freie Fremde Hutmacherin“ reist, nicht: Ihre Kluft mit Cordweste, Frack und Schlaghose leuchtet teils in scharlachrot, der Chapeau Claque, ein faltbarer Zylinder, ist ein Erbstück vom Urgroßvater. Ein bisschen zu klein ist er ihr, also trägt sie ihn schräg über dem Kopf.

 

„Ich unternehme eine Bildungsreise“, sagt sie halb scherzhaft zu ihrer Wanderschaft. In der renommierten Esslinger Hutmacherwerkstatt von Birgit Sophie Metzger ist Handarbeit angesagt. In der Zeit, in der sie früher zehn Hüte mit der Maschine abgesteppt hat, näht sie jetzt eine Hutkrempe mit der Hand, damit die Hutnaht im faserigen Material unsichtbar bleibt.

Auch einen Filz aus Biberhaar hat Eva noch nie in den Händen gehalten. Aus diesem Material kreiert Birgit Sophie Metzger gerade Männerhüte. „Es ist ein Material, das keinen Fehler verzeiht“, sagt sie, weil jeder falsche Stich sichtbar bleibe. Dagegen gibt es natürlich nur ein Rezept: keine Fehler machen.

Was ist eine Modistin?

Die 25-Jährige stammt aus Kirchlengern bei Bielefeld in Nordrhein-Westfalen. Ihre Karriere begann, als sie im Internet eine Anzeige fand: „Modistin gesucht“. Sie musste erst nachschlagen, was Modistinnen überhaupt tun, und als sie herausfand, dass sie Hüte und Kopfschmuck fertigen, fasste sie einen richtungsweisenden Entschluss. Nach neun Monaten Praktikum in einem Betrieb begann sie eine Lehre und arbeitete anschließend als Verkäuferin für Herrenmode. Danach: Wanderschaft. Das freie Leben in verschiedenen Betrieben behagte ihr mehr.

Vor allem im deutschen Handwerk gibt es seit dem Mittelalter die sogenannte Walz, die streng reglementierte Form der Wanderschaft, der sich auch Eva unterwirft. Sie muss von Betrieb zu Betrieb ziehen und sie darf kein Geld für Transport und Übernachtung ausgeben. Mit dem so ersparten Geld und der so gewonnen Berufserfahrung können sich die Handwerker niederlassen und eine eigene Existenz gründen. Und noch etwas tut Eva Freie Fremde Hutmacherin genau so, wie es die Wandergesellen im Mittelalter und der frühen Neuzeit getan haben: Sie wandert ohne Handy und Internet.

An ihrem Beruf gefällt ihr, dass sie mit hochwertigen schönen Materialien umgeht, die hochwertig verarbeitet werden. Ein Hut oder ein Kopfschmuck ist für sie das I-Tüpfelchen auf einem perfekten Outfit. „Ein Hut unterstreicht den Charakter, die Form des Kopfes und – er hält die Ohren warm“, besonders wichtig in der kalten Jahreszeit, in der das Geschäft mit den Hüten turnusgemäß etwas anzieht. Nach drei Jahren und einem Tag ist die Walz beendet und sie könnte wieder in ihre Heimatort Kirchlengern zurück, dem sie sich während der Wanderschaft nur auf 50 Kilometer nähern darf. Ob sie sich dort niederlassen wird, ist noch offen.

Die Freiheit, nach Nepal zu fliegen

„Es wird nie wieder eine Zeit in meinem Leben geben, in der ich so frei und so ungebunden sein werde wie auf meiner Wanderschaft“, sagt sie. Eine ihrer Freiheiten wird sein, nach Nepal zu fliegen und in Kathmandu beim Aufbau der Tempelstadt zu helfen als soziales Projekt. Weil sie kein Geld ausgeben darf für den Transport auf ihrer Wanderschaft wird sie sich den Lohn in Form eines Flugtickets auszahlen lassen. Und dann? „Das weiß ich noch nicht“, sagt Eva Freie Fremde Hutmacherin, denn das würde der Freiheit ja auch einen Abbruch tun.