Mit einem sechsseitigen Brief wendet sich der Vater des getöteten Luca S. an die Staatsanwaltschaft. Er spricht von einem „vermeidbaren Schicksal“.

In einem hochemotionalen Brief wendet sich der Vater des im November 2024 in Esslingen getöteten Luca S. an die Staatsanwaltschaft. Die hatte vor etwa einem Monat entschieden, nicht weiter gegen Behörden zu ermitteln, die im Vorfeld der Tötung über die Absichten des Täters informiert waren, die zur Verfügung stehenden Informationen aber womöglich falsch eingeschätzt hatten.

 

Rache sei nicht sein Antrieb schreibt Rolf Seufferle, Vater des Getöteten. „Rachegedanken bringen mir das Wertvollste, mein Kind, meinen Luca, nicht mehr zurück.“

Vater des Getöteten: Prüfbericht der Staatsanwaltschaft „mangelhaft“

Der Grund seines Schreibens sei ein anderer: „Wie ich schon mehrfach betont habe, geht es mir keinesfalls darum, dass aufgrund von Ermittlungen Einzelpersonen oder gar Gruppen sanktioniert werden. Mein einziger Wunsch bleibt, dass dieses entsetzliche, letztlich vermeidbare Schicksal, das meine Familie getroffen hat, anderen Menschen erspart bleibt.“

Die Staatsanwaltschaft Heilbronn kam zu dem Schluss, dass es keine Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Versäumnisse gebe. Seufferle hingegen kommt zu dem Ergebnis, dass der Prüfungsbericht der Staatsanwaltschaft „mangelhaft“ sei. Mehr noch: „Der Bericht stützt sich auf eine Vielzahl von Paragrafen, die nichts anderes als das Versagen der ermittelnden Behörden verschleiern sollen.“

Vater des Opfers aus Esslingen: Ich vermisse ihn sehr

Was war geschehen: Im November 2024 erschoss ein Mann in der Esslinger Innenstadt Luca S. mit einer selbstgebauten Waffe. Das Haus brannte der Täter nieder, nahm sich anschließend selbst das Leben. Luca S.’ Verlobte rettete sich durch einen Sprung aus dem Fenster, erlitt aber schwerste Verletzungen. Auch der Vater konnte sich retten. Die Trauer über den Verlust des Sohnes sitzt tief. „Gerne hätte ich im Rahmen meiner noch verbleibenden Zeit, noch eine Weile, auch mit Stolz, ihn auf seinem weiteren Weg begleitet. Ich vermisse ihn sehr.“

Täter und Opfer kannten sich und wohnten im selben Haus: Der Täter als Mieter, das Opfer als Sohn des Vermieters Rolf Seufferle. Über Jahre wurde Luca S. und andere Bewohner des Hauses bedroht. Unsere Zeitung berichtete mehrfach davon. Entsprechende Beweise liegen der Staatsanwaltschaft auch vor, wie diese auch einräumte. „Hinsichtlich der angezeigten Straftatbestände der Bedrohung sowie der Körperverletzung und Beleidigung bestand zwar ein dringender Tatverdacht“, erklärte die Staatsanwaltschaft. „Die gesetzlich erforderlichen Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr“ seien jedoch nicht gegeben gewesen.

Täter in Esslingen: „Damit verursache ich den ultimativen Schmerz.“

Nach dem Verbrechen gab es zahlreiche Trauerbekundungen am Tatort. Foto: Ines Rudel

Seufferle führt in einem sechsseitigen Brief eine Reihe von Gründen an, die auch zu einem anderen Schluss führen könnten. Unter anderem diese Zeugenaussage: „Zuerst bringe ich Paul um, dann die Paula, danach zünde ich das Haus an. Damit verursache ich den ultimativen Schmerz bei dem Alten.“ Mit Paul und Paula waren Luca S. und seine Verlobte gemeint.

Der Appell des trauernden Vaters an die Staatsanwaltschaft: „Arbeiten Sie auch daran, dass das Krähenprinzip auf keinen Fall Einfluss auf den Ausgang einer Untersuchung haben darf.“ Mit dem Begriff Krähenprinzip spielt Seufferle auf das Sprichwort „eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ an und meint damit, dass sich staatliche Behörden mitunter schwer tun könnten, gegen andere Behörden zu ermitteln. Weiter heißt es, die Staatsanwaltschaft möge sich nicht scheuen, das Justizsystem in Baden-Württemberg „nach Schwächen, die solche Taten erst ermöglichen, zu durchforsten“.

Neben einer Vielzahl von Hinweisen, dass der Täter gleich einer tickenden Zeitbombe die Bewohner des Hauses und insbesondere Luca S. bedrohte, führt Seufferle am Ende seines Briefes einen trauriges Zitat an: Die Verlobte des Opfers, die nach dem Sprung durch das Fenster und aufgrund der vielen Verbrennungen wochenlang im Koma lag, habe zu ihm gesagt: „Rolf, keiner ist gekommen oder hat mich anderweitig kontaktiert, weder ein Vertreter der Judikative, der Legislative noch der Exekutive hat mich besucht oder sich nach meinem Befinden erkundigt. Ich hätte keine Entschuldigung erwartet, aber doch ein Wort des Bedauerns.“