Das Esslinger Stadtoberhaupt Jürgen Zieger (SPD) hat Druck auf die Wirte des Zwiebelfests ausgeübt. Sie hatten die Traditionsweinstube Eißele, deren früherer Besitzer das Fest einst mitbegründet hat, von der Teilnahme daran ausgeschlossen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Dass es rund um das Zwiebelfest immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen den veranstaltenden Wirten und der Stadt gekommen ist, das ist bekannt. Doch vor der 29. Auflage des traditionsreichen Esslinger Weinfests, das vom 7. bis zum 17. August stattfindet, hat es offenbar ganz erhebliche Reibereien gegeben, an denen Oberbürgermeister Jürgen Zieger (SPD) massiv beteiligt war. In die Öffentlichkeit getragen hat den Streit jetzt der Pächter der Weinstube Eißele, Oliver Brehmer. Pikant daran: Brehmer darf in diesem Jahr nur deshalb als Wirt auf dem Zwiebelfest mitmachen, weil der Rathauschef sich nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hinter den Kulissen persönlich vehement dafür starkgemacht hat.

 

Die Vorgeschichte: Oliver Brehmers Vorgänger hat im Jahr 2005 die Weinstube Eißele von Hans Hummel übernommen, dem legendären verstorbenen Mitbegründer des Zwiebelfests. Unter anderem wegen geschäftlicher Unregelmäßigkeiten konnte laut Brehmer sein Vorgänger aber nicht weitermachen. Deshalb sei er, Brehmer, der damals bereits zehn Jahre lang als Koch in der Weinstube gearbeitet habe, als Pächter eingestiegen.

Vertrauensverhältnis zerrüttet

Dabei sei er der Überzeugung gewesen, dass die Weinstube Eißele als Mitbegründerin des Zwiebelfests ein Recht darauf habe, jedes Jahr auf dem Marktplatz dabei zu sein. Das sehen die Zwiebelfestwirte, die sich in einer GmbH zusammengeschlossen haben, völlig anders. Bereits im vergangenen Jahr hatten sie beschlossen, sich von der Weinstube wegen des zerrütteten Vertrauensverhältnisses zu trennen. Schon damals soll, berichten die Zwiebelfestwirte Frank Jehle, Nils Steinbach, Gerhard Trautwein und Fritz Weiß unisono, der Esslinger OB interveniert und auf der Teilnahme des Eißele beharrt haben.

Kurz vor dem Zwiebelfest einigten sich die Festwirte und der Ex-Pächter vor dem Stuttgarter Landgericht auf einen Vergleich: Demnach durfte die Weinstube Eißele noch einmal am Zwiebelfest teilnehmen. Das gegenseitige Vertragsverhältnis zwischen der Zwiebelfest GmbH und dem Pächter des Eißele endete dann allerdings zum 31. Dezember 2014.

Oberbürgermeister macht Zwiebelfest zur Chefsache

Brehmer hatte im September noch das Gespräch mit dem Geschäftsführer der Zwiebelfestwirte, Frank Jehle vom Palmschen Bau, gesucht, um über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zu reden. Dieses Gespräch, sagt er gegenüber der StZ, sei „recht konstruktiv“ verlaufen. Umso erstaunter sei er gewesen, dass Jehle ihm bei einem neuerlichen Anruf im März erklärt habe, er wisse nicht, was er mit ihm zu besprechen habe. „Wir haben nichts persönlich gegen Herrn Brehmer“, betont Frank Jehle auf Anfrage. „Es gab aber Unregelmäßigkeiten, in die er involviert war, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit geweckt haben. Deshalb haben die Gesellschafter beschlossen, nicht mit Herrn Brehmer zusammenzuarbeiten.“

Am 27. April meldete sich schließlich Jürgen Zieger telefonisch bei Frank Jehle. Der Rathauschef habe erklärt, so Jehle, er habe „ernste Bedenken, wie sich das Zwiebelfest entwickle“. Er könne das nicht akzeptieren. Ohne die Institution Eißele werde es kein Zwiebelfest geben. Er habe das Ordnungsamt angewiesen, dass alles, was die Genehmigung des Zwiebelfests angehe, über seinen Tisch zu laufen habe.

Zieger: Es geht mir nur um Eißele

Jürgen Zieger bestätigte am Donnerstag sein Engagement: „Es geht mir dabei ausschließlich um die Esslinger Institution Eißele“, sagt er: „Die Weinstube ist eine Einrichtung, die weit in die Region hinausstrahlt.“ Deren Existenz in Serach an der Peripherie Esslingens sei gefährdet, wenn ein so wichtiger Umsatzbringer wie das Zwiebelfest plötzlich wegfalle. Zudem sei das Eißele eines der Gründungsmitglieder gewesen. Er, Zieger, lege darüber hinaus Wert darauf, dass beim Zwiebelfest vor allem Esslinger Wirte teilnehmen könnten. Mit einer irgendwie gearteten Verbindung mit dem ehemaligen Pächter habe sein Engagement ebenso wenig zu tun wie mit dem aktuellen Wirt.

In der Tat rief Jürgen Zieger am 28. April erneut im Palmschen Bau an. Er habe sich nun die Zustimmung des Verwaltungsausschusses geholt, dass die Weinstube Eißele dabei sein müsse, alle Fraktionen stützten ihn. Daran kann sich der CDU-Stadtrat Edward-Errol Jaffke indes nicht erinnern: Seine Partei sei der Meinung gewesen, dass es nicht die Aufgabe der Stadt sei, sich in einen privatrechtlichen Streit der Wirte einzumischen. Wenn aber der Oberbürgermeister das persönlich tun wolle, könne man ihn wohl nicht daran hindern. Zieger betonte, dass die Zustimmung zu seinem Vorgehen einstimmig gewesen sei.

Druck auf Wirte erhöht

Die Gründe für das Zerwürfnis der Wirte hat er in der Sitzung nicht genannt. Das bestätigen nicht nur andere Stadträte, sondern das räumt Zieger selbst ein: „Ich habe keine Kenntnis davon. Man hat mir keine Gründe erklärt, ich habe nicht danach gefragt, und sie waren für mich auch nicht wichtig.“ Dass Zieger die Hintergründe nicht gekannt habe, bestreiten die Zwiebelfestwirte: Sie hätten den OB auf einer Gesellschaftersitzung über die Vorkommnisse ausführlich in Kenntnis gesetzt.

In dem Gespräch am 28. April erhöhte Zieger zudem den Druck auf die Wirte: Mehrfach habe der Oberbürgermeister betont, dass es ohne Brehmer kein Zwiebelfest geben werde. In diesem Gespräch haben die Zwiebelfestwirte einen Kompromissvorschlag gemacht: Sie seien bereit, mit der Besitzerin der Weinstube, Birgit Dürr, einen Konzessionsvertrag für das diesjährige Zwiebelfest zu schließen, die der Weinstube die Teilnahme auf Probe ermögliche. Wen Frau Dürr dann als Koch einsetze, sei den Zwiebelfestwirten egal. Zieger habe zurückhaltend reagiert.

Kompromiss gefunden

Deutlich wurde Zieger indes am 6. Mai gegenüber dem Anwalt der Zwiebelfestwirte. Wenn es eine rechtliche Auseinandersetzung gebe, werde das Zwiebelfest diesmal nicht stattfinden – und er solle seinen Mandanten, den Zwiebelfestwirten, vermitteln, dass dann damit das Zwiebelfest für sie erledigt sei. Notfalls werde er, der Oberbürgermeister, von seinem Hausrecht Gebrauch machen und den Marktplatz während der geplanten Veranstaltungstage für eigene Veranstaltungen nutzen.

Ende Juni, als noch immer keine Einigung in Sicht war, griff der Oberbürgermeister erneut zum Telefonhörer: Er werde eine unverfängliche Begründung für die Absage finden, soll er gegenüber den Festwirten erklärt haben. Zudem habe er sie ausdrücklich davor gewarnt, den Streit an die Öffentlichkeit zu tragen. Anfang Juli kam es dann doch noch zu einer Einigung: Auf der Basis des Kompromissvorschlags der Festwirte – Birgit Dürr ist nun die Kooperationspartnerin der Gesellschaft – kann die Weinstube Eißele am Zwiebelfest teilnehmen. Mittlerweile hat denn auch die Stadt die Genehmigungen für das Zwiebelfest im nächsten Monat erteilt.

Wirt trotz Teilnahme unzufrieden

Diese Lösung wiederum ist Oliver Brehmer nicht genug. Die Zwiebelfestwirte behandelten ihn „wie Luft“, klagt er. Jede Information laufe über Birgit Dürr, die mit dem Geschäft überhaupt nichts zu tun habe. Zudem habe er einen fünfstelligen Betrag zahlen müssen, um am Zwiebelfest teilnehmen zu können. Brehmer: „Ich weiß nicht, ob ich dieses Jahr einen Gewinn mache.“ Frank Jehle stellt aus seiner Sicht klar: Brehmer müsse nicht mehr bezahlen als alle anderen Gesellschafter auch.

Den Schritt in die Öffentlichkeit habe er, sagt Oliver Brehmer übrigens, dem Oberbürgermeister angekündigt. Er könne sich nicht mehr genau erinnern, aber es sei möglich, dass Brehmer ihm den Schritt angekündigt habe, erklärt Jürgen Zieger. Er will Brehmer davon abgeraten haben.