Der 34-Jährige, der wegen des Mordes an seiner Schwägerin vor dem Landgericht Stuttgart angeklagt ist, hat die Tat in der Verhandlung eingeräumt. Allerdings habe er die 32-Jährige nicht mit dem Messer töten wollen.

Esslingen - Der Ehemann des Opfers durchlebt in dem Video die dramatischen Minuten vom 23. Dezember des vergangenen Jahres noch einmal. Gemeinsam mit einem Polizeibeamten und dessen Kollegin spielt der 38-Jährige in seiner Wohnung in der Esslinger Innenstadt für eine Tatrekonstruktion das Geschehen jenes Morgens nach, an dem seine 32 Jahre alte Frau mutmaßlich von seinem 34 Jahre alten Bruder erstochen worden ist (wir berichteten). Dieser muss sich wegen Mordes an seiner Schwägerin verantworten.

 

Am Mittwoch vor der ersten Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart sind die bewegenden Bilder vom Tatort gezeigt worden. Der 38-Jährige demonstriert in dem Film, wie die Tat aus seiner Sicht abgelaufen ist. Wie er im Streit mit einem Rucksack auf den Kopf seines jüngeren Bruders eingeschlagen habe und dabei mit einem Gurt an der Lampe hängen geblieben sei. Er habe heftig gezogen, wodurch die Birne samt Fassung zu Bruch gegangen sei und einen Kurzschluss in der Wohnung ausgelöst habe. Schlagartig sei es dunkel gewesen, was sein Bruder dazu genutzt habe, ein Messer vom Tisch zu nehmen und seiner Frau einen Stich in den Bauch zu versetzen, erklärt der 38-Jährige in einer der von der Kripo nachgespielten Szenen. Danach sei sein Bruder aus der Wohnung geflüchtet, im Flur aber noch einmal umgekehrt und mit den Worten „jetzt zeig ich’s dir auch“ auf ihn losgegangen. Doch dann habe er schnell die Haustür zugeworfen, und der für ihn bestimmte Messerhieb sei am Türblatt abgeprallt.

Für das Opfer kommt jede Hilfe zu spät

Es ist berührend, wie der Mann in dem Film von seinen verzweifelten Rettungsversuchen für seine Frau erzählt. Wie er sie laut um Hilfe rufend in das Auto des Nachbarn getragen und auf der Fahrt ins Krankenhaus versucht habe, sie wiederzubeleben. Doch für seine Ehefrau und die Mutter seiner beiden kleinen Kinder kam jede Hilfe zu spät. Sie starb trotz einer Notoperation im Esslinger Klinikum an den Folgen des etwa 20 Zentimeter tiefen Stichs. Dieser hatte die Hauptschlagader oberhalb des Zwerchfells verletzt und in kurzer Zeit einen zu großen Blutverlust verursacht.

Der Angeklagte verfolgt die auf der Leinwand zu sehende nachgestellte Tat scheinbar regungslos. Dennoch hat er gestern erstmals im Laufe des Prozesses sein Schweigen gebrochen. Der Serbe lässt seinen Verteidiger eine Erklärung verlesen, in der er die Tat einräumt, deren Ablauf er aber anders schildert. Nachdem sein wütender Bruder „beim letzten Schlag mit dem Rucksack“ die Lampe beschädigt und damit das Wohnzimmer in Dunkelheit getaucht hatte, habe er „in Panik nach dem Messer auf dem Tisch gegriffen“. Es sei der erst beste Gegenstand gewesen, den er zu fassen bekommen habe.

Angeklagter beklagt „aggressive Stimmung“

Um sich zu verteidigen, habe er damit „eine Bewegung in Richtung meines Bruders gemacht“. Doch in der unübersichtlichen Situation habe er seine Schwägerin mit der rund 17 Zentimeter langen Klinge getroffen. Das habe ihn zutiefst erschüttert, „ich verfluche seit diesem Tag, dass auf dem Tisch ein Messer lag“, lässt er das Gericht über seinen Rechtsanwalt wissen. Zudem habe er in diesem Moment die „aggressive und feindselige Stimmung“ sowie die Kränkungen durch seinen Bruder und dessen Frau nicht mehr ertragen.

Im Laufe des Streits um das Familienvermögen in Serbien sei er ständig von dem Ehepaar beleidigt worden. Sie hätten ihn als Säufer, Bettler und Versager bezeichnet, der sich weder beruflich noch privat eine Existenz aufbauen könne. Als „Stotterer“ hätten sie in beschimpft, und die Frau habe ihm geraten, zurück nach Serbien zu gehen, von wo er erst Mitte Oktober nach Esslingen gekommen war, um zu arbeiten. Vor allem die Vorwürfe der Frau scheinen die Ehre des Angeklagten verletzt zu haben: „Sie hat kein Recht, mich zu beschimpfen“, liest der Verteidiger vor.

Schließlich habe die Auseinandersetzung darin gegipfelt, dass ihn sein Bruder noch an jenem Morgen aus der Wohnung werfen wollte. Sein Gepäck hatte er schon vor die Tür gestellt. „Ich bitte meinen Bruder um Vergebung“ ist einer der letzten Sätze in der Erklärung. Im weiteren Verlauf der Verhandlung will der Angeklagte bis auf weiteres keine Fragen mehr beantworten. Der Prozess wird fortgesetzt.