Er war der erste Pfarrer Deutschlands, der vom NS-Regime aus dem Amt vertrieben wurde und der erste Kultusminister des Landes Baden-Württemberg. Nun schmückt eine Gedenktafel das ehemalige Wohnhaus des Theologen und Politikers Gotthilf Schenkel.

Esslingen - Über viele Jahrzehnte war er in der Stadt Esslingen weitgehend vergessen – und das, obwohl er einmal Kultusminister des Landes Baden-Württemberg war: Gotthilf Schenkel. Am Samstag ist nun bei einer feierlichen Zeremonie die Gedenktafel, die das ehemalige Haus des früheren Esslinger Pfarrers zieren soll, enthüllt worden. Auch Ursula Hausen, eine Enkelin Gotthilf Schenkels, war anwesend.

 

Ursula Hausen kann sich noch gut an ihren Großvater erinnern. In dem Haus im Esslinger Hölderlinweg hat sie viel Zeit verbracht, viele Familienfeste gefeiert. „Meine erste Feier dort war meine eigene Taufe“, sagte sie am Samstag beim Festakt. Ihr Großvater Gotthilf Schenkel hat sie damals selbst getauft. Auch habe sie ihren Großvater öfters zu Veranstaltungen begleiten dürfen. „Mit der Gedenktafel am ehemaligen Haus meines Großvaters ist mir ein Stück Heimat geblieben“, sagt Ursula Hausen, die in Stuttgart geboren wurde und selbst Pfarrerin in Murrhardt (Rems-Murr-Kreis) ist.

Theologe und SPD-Politiker

Bis 2012 wohnte Schenkels Tochter Margarete Haug in dem Haus im Hölderlinweg. Ihr war es ein Anliegen, an ihren Vater zu erinnern. Die neuen Eigentümer des Hauses, Joachim Keding und seine Frau Daniela Giovanardi, freuen sich ebenfalls, dass der Name Gotthilf Schenkel nun nicht in Vergessenheit gerät. „Er war ein Mann, der starke Gegensätze in sich vereinte“, sagte Keding. Nicht nur, dass er Freimaurer und Theologe war, sondern auch, dass er damals Theologe und SPD-Politiker war.

„Er setzte sich stets für die Bedürfnisse der Menschen ein“, erzählt der Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler. Ein gesellschaftlicher Zusammenhalt sei ihm wichtig gewesen. Andreas Krieg von der Frei maurerloge Zur Katharinenlinde, die mit der Familie Keding und der SPD das Projekt in die Tat umgesetzt hat, erwähnte Schenkels Freundschaft mit Mahatma Gandhi und sprach von ihm als Menschenfreund.

Doch nicht nur das Haus Schenkels, das 1951/52 gebaut wurde, existiert noch heute. Auch die Eiche, die er in den 50er-Jahren pflanzte, wächst und gedeiht. Mittlerweile hat sie eine stattliche Höhe von rund 25 Metern erreicht – und steht nur einen Steinwurf entfernt vom Grab des ehemaligen Politikers, Pfarrers und Pazifisten Gotthilf Schenkel auf dem Ebershaldenfriedhof.

Zurück im Gedächtnis der Menschen

Vita
Gotthilf Schenkel wurde am 19. September in 1889 in Udipi (Indien) geboren. Schenkel war der erste Pfarrer Deutschlands, der 1933 vom NS-Regime aus dem Amt vertrieben wurde. Er war von 1947 an wieder Pfarrer in Oberesslingen, 1951 wurde er zum Kultusminister berufen. Seit 1952 war er SPD-Landtagsabgeordneter, Mitglied im Esslinger Gemeinderat und im Kreistag sowie Mitglied der Freimaurer-Loge Zur Katharinenlinde. Im Jahr 1960 starb Schenkel in Esslingen.

Weg
Vor zwei Jahren hat die Stadt auf Vorschlag des Esslinger SPD-Landtagsabgeordeten Wolfgang Drexler einen bis dato namenlosen Weg entlang des Ebershaldenfriedhofs in Dr.-Gotthilf-Schenkel-Weg benannt.

Preis
Ebenfalls 2014 wurde von der Freimaurerloge Zur Katharinenlinde ein Preis in seinem Namen gestiftet. Der erste Preisträger des Dr.-Gotthilf-Schenkel-Preises für Mitmenschlichkeit war der Verein Bürger für Berber, der sich um Obdachlose kümmert. Am Sonntag wurde nun zum zweiten Mal der Preis vergeben. Ausgezeichnet wurde das Projekt „Seiltänzer“ der Stiftung Jugendhilfe aktiv. Das Angebot richtet sich an Sieben- bis Zwölfjährige, bei denen mindestens ein Elternteil psychisch erkrankt ist.