Aus zwölf Stadtführungen und 29 Objektrundgänge haben die Besucher des Tags des Offenen Denkmals die Qual der Wahl gehabt. Nicht nur den Kirchturm konnten sie besteigen, auch eine Weinbergführung stand auf dem Programm.

Esslingen - Das einmalige historische Erbe, über das Esslingen verfügt, ist ein Geschenk. Keine Last.“ Mit diesen Worten hat der Oberbürgermeister Jürgen Zieger am Sonntag den Tag des Offenen Denkmals auf dem Marktplatz eingeleitet. In diesem Jahr stand er unter dem Motto „Jenseits des Guten und des Schönen: Unbequeme Denkmale?“ „Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger einladen, einen Blick in Denkmale zu werfen, die sonst nicht oder selten öffentlich zugänglich sind“, so Zieger. Der Umgang mit Denkmalen beschäftige Städte landauf landab. Er sei wichtig für das Leben einer Stadt und deren Identifikation. Manchmal müsse man dafür nicht nur tief in die Tasche greifen, sondern die Anwohner müssten auch viel Lärm ertragen. „Unsere Altstadt ist uns lieb und teuer“, sagt der Rathauschef.

 

Der Blick vom Kirchturm reicht über die ganze Stadt

Auf vielfältige Weise wurden den Teilnehmern die Facetten von vielen Denkmalen der Stadt erläutert. Genügend Kondition ist die Grundvoraussetzung für eine Führung zu den Türmen und Glocken der Stadtkirche Sankt Dionys gewesen. Doch der harte Aufstieg über die unzähligen Stufen auf den Nordturm der Kirche wird mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt: den Besuchern erstreckt sich ein einzigartiger Ausblick über die ehemalige Reichsstadt und das Umland.

Doch auch die kleinen Besucher kamen nicht zu kurz. Bei der Führung über Stadtmauern und Stadttore wanderten die beiden Architektinnen Barbara Thiele-Höfler und Svenja Fleckenstein vom Hafenmarkt bis zum Schelztorturm und gaben den Kindern dabei interessante Erkenntnisse mit auf den Weg. Etwa auf die Frage: „Was wurde denn auf dem Hafenmarkt einst verkauft?“ „Fisch!“, tönt es aus der Runde. Doch als Schwabe weiß man, das „Häfele“ ein Topf oder Gefäß ist. „Auf dem Hafenmarkt wurden also einst Töpfe verkauft“, erklärt Svenja Fleckenstein.

Doch auf die grundsätzliche Frage: Warum gab es überhaupt eine Stadtbefestigung, wussten viele der kleinen Teilnehmer die Antwort. „Um die Stadt vor bösen Angreifern zu schützen.“ Heutzutage braucht man das nicht mehr, und da die Mauern und engen Tore irgendwann eher lästig und unbequem waren, weil man sie mit bestimmten Fortbewegungsmitteln nicht passieren konnte, wurden viele im Laufe der Jahre entfernt. Vier Tore von insgesamt 50 Toren sind noch übrig geblieben.

Das älteste erhaltene Tor Esslingens ist das Wolfstor. Im Jahr 1268 wurde es zum ersten Mal erwähnt. Durch den Torturm führte einst die Fernhandelsstraße. „Die Menschen mussten dort früher Pflasterzoll zahlen – heute heißt es Maut“, erklärt Svenja Fleckenstein.

Heißes Pech für Eindringlinge

Doch warum heißt der Turm eigentlich Wolfstor? Die Kinder wissen darauf eine Antwort: „Da sind zwei Wölfe über dem Torbogen. Oder sind es doch Löwen?“ Barbara Thiele-Höfler weiß Rat: „Der Name des Wolfstors stammt vom Aussehen der verwitterten Stauferlöwen, die eher mit Wölfen Ähnlichkeit haben.“ Im Gewölbe des Wolfstors sitzt das sogenannte Mordloch. Dort wurde heißes Pech durchgeschüttet, falls sich ein Eindringling unter das Tor wagte, erklärt die Architektin Fleckenstein den Kindern.

Das größte Stück Stadtmauer ist am Kanzleiufer zu sehen. Es lohnt sich daher – neben dem Betrachten des idyllischen „Klein Venedigs“ und den treibenden Schwänen auf dem Roßneckar - auch ein Blick zurück auf die fast 800 Jahre alten Mauern der einstigen Stadtfestung. Und auch damals hatten die Bewohner schnell etwas gelernt: die meisten der Steine sind glatt abgeschliffen. Denn sie hatten festgestellt, dass man auf rauen Steinen schneller eine Wand hochklettern kann als auf abgeschliffenen glatten Steinen, auf denen man immer wieder abrutscht. „Das Abschleifen diente also zusätzlich der Sicherheit vor Eindringlingen“, erklärt Thiele-Höfler.