In einer Serie zeigen wir Luftbilder von 1955 und von 2015 aus dem Kreis Esslingen. Heute geht es um die Neckarschleusen, die einst ein Teil einer gigantischen Wasserstraße werden sollten vom Neckar über die Donau bis zum Schwarzen Meer.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Reguliert war der Neckar bei Esslingen noch nicht, als Mitte der 50er- Jahre das Kameraauge darüber streifte, gebändigt war er aber schon. Das Bild zeigt den Fluss, bevor er zum Schifffahrtskanal ausgebaut wurde.

 

Der Plan, den Neckar auszubauen, wurde bereits in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts vom Tübinger Wasserbau-Ingenieur Otto Konz und anderen verfolgt. Der Plan war ehrgeizig. Der Kanal sollte bis Plochingen getrieben werden, dann sollte die Fils bis zur Schwäbischen Alb ausgebaut und mit gigantischen Schiffshebewerken und Wasserbrücken sollte die Schwäbische Alb überwunden und die Schiffe bis zur Donau transportiert werden. Damit wäre die erste paneuropäische Schifffahrstraße zwischen dem Atlantik und dem Schwarzen Meer entstanden.

Es blieb bei dem Plan. Teilweise, denn die Schiffbarmachung des Neckars wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Angriff genommen. Angriff ist dabei das beste Wort, denn für den Kanal wurde soviel historische Bausubstanz geopfert, dass beispielsweise in Heidelberg am unteren Neckar geunkt wurde, die Schiffbarmachung hätte mehr zerstört, als Mélacs Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg. Auch die Pliensaubrücke flussabwärts in der Esslinger Altstadt war bis auf die Kriegsschäden noch komplett, bevor sie für den Kanal teilweise abgerissen wurde.

Mit den Flussufern wurde Tabula Rasa gemacht

Vor allem wurde an den in den 50er-Jahren noch relativ intakten Flussufern Tabula Rasa gemacht. Sie wurden einfach zubetoniert. Heute ist es eines der ökologischen Ziele der Region, wieder eine durchgehende Begrünung des Neckars zu schaffen, im Sinne einer Biotopvernetzung. Wie das aussehen könnte, zeigt das Schwarz-Weiß-Bild, wo das mit Bäumen bestandene Flussufer noch relativ natürlich war.

Noch ein weiteres Kuriosum zeigen die Neckarschleusen. In den 20er-Jahren war durch die Wandervogelbewegung das Kanu-Wandern auf Deutschlands Flüssen Mode geworden. Deswegen haben die Neckarschleusen betonierte Rampen, auf denen hie und da noch ein Bootskarren zu sehen ist, mit dem man die Kanus über die Schleuse hätte ziehen können. Sie wurden so gut wie nie benutzt, weil die Planer nicht daran gedacht hatten, dass sich die Begeisterung der Naturfreunde für Kanuwanderungen in tristen Industriekanälen ziemlich in Grenzen hielt.

Damals schon gab es das Neckarfreibad, in das die Stadt demnächst 2,6 Millionen Euro steckt. Das Bad dürfte einst das wilde Schwimmen im Neckar im wahrsten Sinne des Wortes kanalisiert haben. In den anderen Neckargemeinden gab es oft einfach einen Holzsteg in Richtung Flussmitte, auf dem sich die Badegäste sonnen konnten.

Die Region ist der Durchlässigkeit des Neckars näher gekommen

Eine Millionen Euro hat es gekostet, den Uferweg am Bad zu bauen, der wohl auch einmal ein Teil des geplanten Neckar-Radschnellwegs werden könnte, gefördert von der EU. Dort wurde auch das Ufer wieder renaturiert, damit sich Uferpflanzen und Amphibien wohl fühlen. Damit ist die Region der Durchlässigkeit des Neckars wieder ein Stück näher gekommen.

Der Ausbau der B 10 hat dem Neckar die neue Adenauer-Brücke beschert, deren kostenträchtige Renovierung zur Zeit ansteht. Auch eine städtebauliche Konstante zwischen den beiden Luftbildern ist zu entdecken. Die weitläufigen Hallen des Esslinger Eisenbahndepots sind in der Bildmitte zu erkennen, damals mit Gleisen versehen, damit die Lokomotiven rangieren konnten. Heute stehen sie leer und keiner weiß so recht, was damit anfangen.