In einer Serie zeigen wir Luftbilder aus dem Jahr 1955 und 2015. Sie belegen den Landschaftsverbrauch in der Stadt.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Pro Tag werden in Baden-Württemberg 5,2 Hektar überplant oder überbaut, sagt der Bund für Naturschutz auf seiner Homepage. Gut sieht man diesen Landschaftsverbrauch, wenn man das Bild von Oberesslingen aus dem Jahr 1955 mit der Aufnahme von 2015 vergleicht.

 

Die Stadt wuchs in Schüben zwischen zehn und 15 Jahren. Der erste Schub erfolgte nach dem Krieg. Vertriebene und Flüchtlinge kamen, wurden in bestehende Wohnungen einquartiert, wobei Esslingen sicherlich eine Schlüsselrolle einnahm, weil es von den alliierten Bomberverbänden weitgehend verschont blieb. Hie und da wird erzählt, es habe alliierte Agenten in der Stadt gegeben, die vor den Bomben geschützt werden sollten. Gleichwohl gab es einen Angriff auf das Gelände um den Bahnhof, die Bomber wurden damals beschossen und luden einen Teil ihrer tödlichen Fracht im Esslinger Norden ab.

Die Häuser haben etwas Leichtes und Spielerisches

Die Siedlungen entlang der Schorndorfer Straße wurden in den 50er- und 60er-Jahren hastig gebaut, immer mit den gleichen Fertigteilen und denselben Türen und Fenstern. Trotz aller Uniformität haben diese Häuser etwas Leichtes und Spielerisches. Dieser Eindruck wird heutzutage noch durch Umbauten und farbige Fassaden verstärkt.

Zur Zeit ist es übrigens die Esslinger Wohnungsbaugesellschaft (EWB), die diese Tradition aufnimmt und eine Art Fertighäuser am Markt hat, in einer Hybrid-Bauweise aus Holz und Beton. Die Motivation der EWB ist es nicht, in kurzer Zeit viel Wohnraum zu schaffen, sondern die Baukosten niedrig zu halten, die durch die große Nachfrage zur Zeit in die Höhe schnellen.

Zwang der Menschen zu Mobilität.

Westlich der Schorndorfer Straße erinnern die Straßennamen an Orte in der ehemaligen DDR: Brandenburger Straße, Potsdamer Straße oder Dresdener Straße. Sie erinnern so an den Zustrom der Menschen aus Mitteldeutschland ins Neckartal, bevor die Mauer gebaut wurde. Sie alle fanden Arbeit beim Maschinen- und im Automobilbau. Damals entwarf man die Stadtgebiete komplett am Reißbrett. Neben Wohnungen entstanden Banken, Geschäfte und Kindergärten, später auch Schulen, wie das Theodor-Heuss-Gymnasium. In den 70er-Jahren entstanden die ersten Hochhäuser. Und dann wuchs die Stadt wieder in die Fläche, wenn auch deutlich langsamer. In der neuen Siedlung im Narzissenweg gibt es keine Infrastruktur mehr. Das zwingt die Menschen zur Mobilität. Kein Wunder, dass mit den Stadtvierteln auch Straßen neu gebaut oder ausgebaut wurden. Das sind die Breslauer Straße und die Schorndorfer Straße, die Esslingen mit dem Schurwald verbindet. Das jüngste Gebäude des Quartiers ist übrigens wieder ein Haus für die Flüchtlinge, die vielfach auch aus Kriegsgebieten kommen. So scheint sich die Geschichte und die Siedlungsgeschichte zu wiederholen.