Vor dem Amtsgericht Esslingen sitzt ein Polizist auf der Anklagebank. Dem 57-Jährigen wird vorgeworfen, einen Autofahrer zu Unrecht beschuldigt und einen Ladendieb laufen gelassen zu haben. anstatt ihn anzuzeigen.

Esslingen - Es kommt nicht häufig vor, dass Polizeibeamte auf der Anklagebank Platz nehmen müssen. Noch seltener ist es, dass ihnen dann gleich zwei verschiedene Delikte vorgeworfen werden. Bei dem 57 Jahre alten Polizisten, der am Dienstag vor dem Amtsgericht Esslingen erschienen ist, ist genau das der Fall. Er muss sich wegen der Vorwürfe der falschen Verdächtigung sowie der versuchten Strafvereitelung im Amt verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, er habe einen Autofahrer zu Unrecht beschuldigt, ihn bei einer Privatfahrt genötigt zu haben. Außerdem geht die Anklage davon aus, dass der Mann im Dienst einen Ladendieb hat laufen lassen anstatt ihn anzuzeigen.

 

Der 57-Jährige bestreitet beide Vorwürfe entschieden und hat deshalb Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt. Dadurch ist es zu der Verhandlung gekommen, die Licht in die Angelegenheit bringen soll. Etwa in die Geschehnisse am 6. März des vergangenen Jahres, als der Angeklagte auf dem Weg nach Nürtingen auf der B 313 bei Wendlingen geblitzt wurde, weil er zu schnell unterwegs gewesen war. Doch das fällige Bußgeld wollte er nicht zahlen, weil er angeblich durch einen Drängler zum schnellen Fahren genötigt worden sei. Das gab er beim Landratsamt an und lieferte gleich noch das Kennzeichen des vermeintlichen Verkehrsrowdys mit sowie den Hinweis, die Behörde solle Strafantrag gegen den jungen Mann stellen.

Für die Behauptung findet sich kein Beweis

Doch in der Bußgeldstelle fand sich nichts, was diese Behauptung belegt. Auf dem Radarfoto ist weder hinter, noch neben dem Auto des Polizeibeamten ein anderes Fahrzeug zu sehen, das ihn in Gefahr gebracht haben könnte. Zudem ergaben die Ermittlungen der Polizei, dass der vom Angeklagten beschuldigte Fahrer zu besagter Zeit die Bank in der Berufsschule drückte und sein Wagen auf dem Parkplatz stand. Die Beamtin in der Kreisbehörde wunderte sich zudem, „dass er als Polizist nicht selbst Anzeige erstattet hat“. Der 57-Jährige erklärt vor Gericht, das sei ihm an diesem Tag – er war gerade Opa geworden – nicht so wichtig gewesen.

Offenbar war es ihm am 22. Juni 2013 auch nicht wichtig, einen Ladendieb anzuzeigen, der in einem Supermarkt in Ostfildern Zigaretten gestohlen hatte. Der Mann sei „wie ein Häufchen Elend“ im Büro des Kaufhausdetektivs gesessen. Da habe er Mitleid mit ihm bekommen, sagt der Polizist. Deshalb habe er den Marktleiter gebeten, die bereits ausgefüllte und unterschriebene Anzeige intern zu behandeln und nicht an die Polizei weiterzugeben – zumal der Täter geständig war, die Beute zurückgegeben und eine sogenannte Vertragsstrafe von 50 Euro bezahlt hatte. Zudem soll der heute 57-Jährige geäußert haben, der Zeitpunkt für weitere Maßnahmen sei ungünstig, weil am Samstagnachmittag die Staatsanwaltschaft schlecht erreichbar sei. Seinem Wunsch, das Ganze unter dem Dach des Supermarkts zu belassen, wurde schließlich nachgekommen. Doch das Formular landete letztlich doch – auf nicht mehr nachvollziehbarem Weg – bei den Kollegen, wodurch die Ermittlungen erst in Gang kamen.

Wenig Versändnis vom ermittelnden Kollegen

Ein Beamter der Kriminalpolizei, der mit den Ermittlungen gegen den Kollegen betraut war, hat wenig Verständnis für das Vorgehen des Angeklagten. Schließlich sei die Anzeige bereits fertig ausgefüllt und unterschrieben gewesen. Zum weiteren Prozedere gebe es da „keine Zweifel“. Der Verteidiger des Angeklagten sieht das anders. In der Praxis komme es „tagtäglich“ vor, dass Polizisten von einer Anzeige absehen. Etwa bei einem Auffahrunfall mit Blechschaden, wenn die Polizei vor Ort feststelle, dass sich die Unfallbeteiligten auch ohne das Zutun der Ordnungshüter einigen. Die Verhandlung wird fortgesetzt.