Der Kunstverein zeigt in der Villa Merkel die Ausstellung „Hier (und) in den 70ern“. Zur Schau zählen Bilder und Objekte von damals und heute. Auch werden kulturelle Institutionen und Protagonisten des Kunstbetriebs vorgestellt.

Esslingen - Wenn der Esslinger Kunstverein – traditionell zum Abschluss der Sommerferien – zur Ausstellung in die Villa Merkel einlädt, dann steht naturgemäß das Sehen im Mittelpunkt. Das Sehen und Betrachten von Kunstobjekten, aber auch das Sehen und Treffen von Freunden und alten Bekannten. Schon der Andrang und der Stimmenpegel bei der Vernissage am Freitagabend belegten das. „Hier (und) in den 70ern“ heißt die Schau und gilt den „kulturellen Institutionen und ihren Protagonisten in Esslingen und Umgebung“, wie es in den Zwischen- oder Untertiteln steht.

 

Kaum hatte der Vorsitzende Magnus Kaiser der Stadt für das Überlassen der Ausstellungsorts seinen Dank abgestattet und dem Künstlerischen Leiter des Vereins und Kurator Christian Gögger dafür gedankt, sich für das Gelingen der Kunstpräsentation „unglaublich ins Zeug gelegt zu haben“, ging Gögger in medias res: Die Jahre von 1970 bis 1979, der Kunstverein wurde 1976 gegründet, bezeichnete er als „Jahrzehnt der Kunstvermittlung“ – nach der vorausgegangenen Akzentuierung kultur- und sozialpolitischer Utopien. Die Institutionen von damals, so Christian Gögger, bestünden indes nach wie vor, und so müsse mit Blick auf künstlerische Inhalte auch die Frage lauten: „Was ist heute?“

Spannungsfeld zwischen dem Damals und dem Heute

Das Spannungsfeld zwischen dem Damals und dem Heute ist denn auch ein wesentliches Kriterium der Schau. Und so gilt die Reverenz etwa Hans Mayer, der anno 1965 in der Esslinger Bachstraße – ausgerechnet in einem ehemaligen Sarglager – die „op art“-Galerie eröffnete. Oder es wird an den Galeristen Ralph Jentsch erinnert, der zusammen mit Friedhelm Röttger den Ausbau der Villa Merkel zum Ausstellungsort propagierte und voranbrachte, sodass dort 1974 die erste Schau mit Werken von Edvard Munch gezeigt werden konnte.

In großflächigen Ölbildern und Siebdrucken lässt Werner Fohrer die Rockstars als „Identifikationsfiguren der Jugend in den Siebzigern“ hochleben, wie es im Begleittext heißt; jüngste Arbeiten Fohrers stammen aus diesem Jahr. Passend dazu gibt es ein Filmporträt des Esslinger Ausnahmebassisten Eberhard Weber zu sehen.

Frappierend wirkt, wie in einer Retrospektive von Arbeiten des Expressionisten Volker Böhringer im Kriegsjahr 1943 und unter der NS-Kunstkuratel Bilder im Stile des Surrealismus entstehen konnten. Von Heribert Glatzel („Friedland“) sind diffizile Aquarelle zu sehen, wie ästhetisch die Strukturen von Magnesiumsulfat und Zinn sind, zeigen die Mikrofotografien von Manfred Kage. Die Faszination des Schwarzen Kontinents wird bei Bildern des Fotografen Dieter Blum aus seinem Afrika-Fundus lebendig. Wie es im Begleittext heißt, werden neu abgezogene Fotografien gezeigt, die nach den Vorstellungen des Kunstvereins für spätere Editionen über Blums Schaffen mit die Basis bilden sollen.

Bild mit dem Titel „Esslinger Fasnacht“

Weiter werden in der Villa Merkel Werke von Rosy Albrecht, Ulrike Flaig, Ulrich Bernhardt, Wolfgang Flatz, Matthias Kunisch, Andreas Nann, Otto Baum, Adolf Fleischmann und Benjamin Rayher gezeigt. Rayher, ein noch junger Maler und Siebdrucker, hat zur Ausstellung ein großformatiges Bild mit dem Titel „Esslinger Fasnacht“ beigesteuert. Mit Narrenkappe ist im Zentrum ein Konterfei zu sehen, das ein frappante Ähnlichkeit mit Eugen Hutter, der früheren guten Seele des Jazzkellers in der Webergasse aufweist. Um ihn herum kreisen berühmte Köpfe wie etwa die von Hans Mayer, Max Bense, Otto Herbert Hajek, Dieter Blum und von Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger, der Künstler selbst hat sich gleich mit aufs Bild geschmuggelt.