Stimmt die Rechnung für ein demoliertes Schild? Ein Anwalt fühlt sich abgezockt und hat die Stadtverwaltung wegen Betrugs verklagt. Das Verfahren ist noch nicht eröffnet.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Natürlich, der Esslinger Anwalt Axel Maier-Wanner hätte in jenem Novemberabend in der Tiefgarage am Neckarforum parken müssen. Weil er jedoch nur kurz jemanden abholen wollte, stoppte er neben der Bushaltestelle vor dem Neckarforum auf dem Gehweg der Ebershaldenstraße. Beim Ausparken machte es „rums“. Mit seinem Mercedes hatte er ein Verkehrsschild umgemäht.

 

Der Anwalt drückte das Verkehrszeichen wieder nach oben, doch blieb es wackelig. Maier-Wanner holte die Polizei, worauf ein Beamter den Schaden feststellte.

Der Clou: Das Verkehrszeichen ruht auf einer Feder

Wenig später kam eine Rechnung an seine Haftpflichtversicherung über 1227 Euro, ausgestellt von der Stadt. Diese Rechnung hatte für Axel Maier-Wanner einige Überraschungen parat. Statt eines Verkehrszeichens wurden ihm drei Schilder in Rechnung gestellt.

Das war Grund genug für den Anwalt, etwas tiefer in die Sache einzusteigen. Dabei fand er heraus, dass dieses Verkehrszeichen mit einem Spezialsystem namens Augustaflex ausgestattet war, das der Bozener Hersteller Saedi ersonnen hat.

Der Clou an Augustaflex: Das Verkehrszeichen ruht auf einer Feder. Wenn man dagegen fährt, dann biegt sich laut Herstellerangaben das Verkehrszeichen um und richtet sich dann selbstständig wieder auf. Bei Axel Maier-Wanner hat sich das Verkehrszeichen allerdings nur abgeknickt, dabei die Stoßstange demoliert und sei dann liegen geblieben. Hochbiegen musste es der Anwalt selbst, woraus der Jurist schließt, das Teil sei defekt gewesen. Für ein defektes Teil wollte er allerdings keinen Neupreis als Schadensersatz bezahlen. Zumal als Ersatz ein Gebrauchtteil aus dem Jahr 2012 eingebaut worden sei, wie der Anwalt mit seiner Kamera dokumentierte. Mit der von den städtischen Bauarbeitern angerechneten Arbeitszeit ist Axel Maier-Wanner erst recht nicht einverstanden. Denn der Hersteller wirbt damit, dass ein Mann das System in 30 Minuten aufstellen kann. Die Stadt hat allerdings zwei Mann zur Reparatur geschickt, die je 1,5 Stunden gearbeitet haben. Selbst mit der Anfahrt seien die drei Stunden reichlich Arbeitszeit, meint Maier-Wanner. Er hat jetzt eine Klage vor dem Esslinger Amtsgericht eingereicht. Und er mutmaßt: Vielleicht haben ja noch mehr Esslinger Autofahrer möglicherweise zu viel für abgemähte Schilder gezahlt?

Zu diesem aktuellen Fall gibt die Stadt Esslingen keine Auskunft, da derzeit der Sachverhalt noch geprüft werde, sagt der Pressesprecher Ignazio Ceffalia.

Für Arbeitszeiten gibt es keine Richtwerte

Die Stadtverwaltung bezeichnet das System Augustaflex als ein „sehr hochwertiges und leider auch sehr teures Qualitätsprodukt, welches zuverlässig seinen Dienst tue. „Das hat uns schon sehr viel Arbeit und Kosten erspart“, zumal viele Fahrer flüchteten, wenn sie ein Verkehrschild gerammt hätten, sagt Ignazio Ceffalia, allerdings sei der Mechanismus der Augustaflex nur bis zu einer Biegung von 40 Grad geeignet.

Für die Arbeitszeit gebe es keine Richtwerte, weil alle Schilder verschieden seien. Der Aufwand, so rechnet die Stadt vor, setze sich zusammen aus der Hin- und der Rückfahrt, dem Auslagern der einzelnen Bauteile und der Vormontage in der Werkstatt sowie den Arbeiten vor Ort. Dazu zählt das Herstellen des Fundamentes oder das Einsetzen des Schildes in die Bodenhülse.

Etwa jeden zweiten Tag müssen die städtischen Bauarbeiter wegen demolierter Masten ausrücken. Im vergangenen Jahr wurden etwa 180 Verkehrszeichen in Esslingen angefahren, Poller und andere Verkehrseinrichtungen sind da nicht mitgezählt. Etwa 100 Autofahrer meldeten sich bei der Stadtverwaltung, der Rest begeht Fahrerflucht.