Markus Grübel wirbt für einen Dienst der Bürger am Staat, sei es beim Militär oder bei einer sozialen Einrichtung.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Der Brief an die Fraktionen kam vor einigen Tagen: Der Esslinger Bundestagsabgeordnete Markus Grübel (CDU) regte darin an, auf dem Esslinger Marktplatz öffentliche Gelöbnisse von Bundeswehrsoldaten abzuhalten. Fragt man den Fregattenkapitän der Reserve warum, sagt er: „Weil es mir wichtig ist.“

 

Doch nicht nur ihm ist es wichtig. Die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat schon im Juli in ihrer Antrittsrede öffentliche Gelöbnisse gefordert und am 20. Juli im Berliner Tiergarten zusammen mit der Kanzlerin Angela Merkel Rekruten vereidigt, mit der traditionellen Formel: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“

Für Grübel geht es um den viel zitierten Staatsbürger in Uniform. Die Gesellschaft müsse begreifen, dass die Bundeswehr ein Teil von ihr sei und umgekehrt. Die Bundeswehr dürfe nicht wie ein Söldnerheer von der Gesellschaft abgeschottet werden, den daraus könnten alle Risiken erwachsen, die ein Söldnerheer in sich berge. Es kann die Fronten wechseln und sich gegen die Auftraggeber stellen, wenn die Bezahlung nicht stimmt. Als positives Beispiel führt er die Reform des preußischen Heeres unter Gerhard von Scharnhorst an, der Adelsprivilegien abgeschafft hatte und eine Armee von freiwilligen und patriotisch begeisterten Soldaten schaffen wollte.

Das bisher einzige Gelöbnis der Bundeswehr in Esslingen war im Jahr 1993 gewesen, es ging nicht ohne Buhrufe und Pfiffe ab. Anlass war der Abschied des Feldjägerbataillons 750 aus der Becelaere-Kaserne, das damals die letzte Esslinger Garnison gestellt hatte, die nach dem Ende des Kalten Krieges übrig geblieben war.

Mittlerweile ist die Bundeswehr aus den Stadtbildern der Region verschwunden, und man trifft höchstens ein mal einen Uniformierten, wenn er bei der Wochenendheimfahrt am örtlichen Bahnhof um- oder aussteigt.

Nicht um Fronten und Feindbilder

Grübel geht es nicht um Fronten und Feindbilder, sondern darum, dass die Wehr die Rechte und die Freiheit der Menschen in Deutschland verteidige und dafür gesellschaftliche Anerkennung verdiene. So kommt man schnell auf das Diktum der Kommunistin Rosa Luxemburg von der Freiheit, die immer die Freiheit des Andersdenkenden sein müsse.

Die Andersdenkenden sind in diesem Fall etwa die Marxistisch-Leninistische-Partei-Deutschland (MLPD) Esslingen, die bei der Kundgebung zum Antikriegstag ein Flugblatt im Publikum verteilt hatte, das öffentliche Gelöbnisse als „weitere Militarisierung und Rechtsentwicklung“ geißelte. Zwar glaubt Grübel nicht, dass ein öffentliches Gelöbnis in Esslingen von Pazifisten und Autonomen gestört würde, doch da könnte er sich täuschen: Das letzte Gelöbnis in Stuttgart war 2010 auf dem Schlossplatz. Rund 1000 Polizisten waren im Einsatz, um etwa 100 Gegendemonstranten in Schach zu halten. Weil sich die Demonstranten nicht an die Absperrungen hielten, kam es dabei zu etwa 60 vorläufigen Festnahmen.

Grübels Vorschlag wurde vom Gemeinderat verhalten positiv aufgenommen. Die Freien Wähler werden ihn nach der Sommerpause diskutieren, die grüne Gemeinderatsfraktion berät gerade darüber. Die persönliche Meinung der Fraktionsvorsitzende Carmen Tittel ist: „Ich sehe keine Notwendigkeit für öffentliche Gelöbnisse.“ Während die Linken Grübels Vorschlag ablehnen, kommt Zustimmung von der FDP. Ulrich Fehrlen hat als Oberst der Reserve „kein Problem mit der Idee“, genauso wenig wie die SPD: „Die Bundeswehr ist ein konstitutiver Bestandteil unseres Landes und erfüllt wichtige, dem Frieden dienende Aufgaben. Dieser Funktion kann sie umso eher gerecht werden, je mehr die Gesellschaft sich mit der Bundeswehr als ‚ihrem’ Heer und als deutsche Parlamentsarmee identifiziert“, teilt der SPD-Sprecher Andreas Koch mit. Außerdem habe ein öffentliches Gelöbnis nichts mit Uniformgläubigkeit oder gar Militarismus zu tun. Es sei ein sichtbares Zeichen der Wertschätzung für Frauen und Männer, die sich als Angehörige der Bundeswehr unter Einsatz ihres Lebens für eine menschlichere Welt engagierten.

Ein allgemeiner Dienst des Bürgers

Markus Grübel geht es bei seinem Vorstoß nicht nur um die allgemeine Wehrpflicht. Ihm schwebt ein übergeordneter Dienst aller Bürger für den Staat vor, sei es beim Militär, beim Roten Kreuz, im Krankenhaus oder im Altenheim. Ausgehend von seinen Erfahrungen bei der Bundeswehr glaubt er, dass ein solcher Dienst die Gesellschaft durch ein gemeinsames Erlebnis zusammenschweißen würde, eine Gesellschaft, die immer mehr auseinanderdrifte. Die Bundeswehr hat in Baden-Württemberg bereits öffentliche Gelöbnisse geplant, unter anderem in Bad Dürheim, wie Oberstleutnant Markus Kirchenbauer von der Bundeswehr-Pressestelle mitteilt.

Seine Bundeswehrzeit hat Markus Grübel geprägt, genauso wie seine Zeit von 2013 bis 2018 als parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Jetzt ist er Beauftragter der Bundesregierung für Religionsfreiheit und sieht sich angesichts der weltweit ausgefochtenen Religionskriege auch wieder zuständig für militärische Konflikte.