Die ME 4092 war die letzte Werklok der untergegangenen Maschinenfabrik Esslingen. Ein Freundeskreis macht das Dampfross in liebevoller Kleinarbeit wieder funktionsfähig.

Esslingen - So viel Zuwendung hat die alte Dame wohl zeitlebens nicht genossen. Rund zehn gestandene Männer des Fördervereins zur Erhaltung von Lokomotiven der Maschinenfabrik Esslingen (FVME) – Schlosser, Mechaniker, Meister, Techniker und Ingenieuren – werkeln seit 15 Jahre daran, sie wieder auf die Gleise zu lupfen. Das erweist sich als Heidenarbeit, nicht nur, weil die Lok mit der Typenbezeichnung T 3, die im Jahr 1922 als letzte Werksbahn der Maschinenfabrik Esslingen gebaut wurde, allein rund 27 Tonnen an Leergewicht auf Waage bringt.

 

„Die Alten haben noch Technik gekonnt“, sagt Hans-Thomas Schäfer, der Vorsitzende des Vereins, anerkennend. So hätten selbst modernste Spezialmaschinen nicht die Genauigkeit erreicht, die zum Nachbau des Kreuzkopfes, des mechanischen Kernstücks des Antriebs, erforderlich gewesen sei. „Wir haben das Teil deshalb umkonstruieren müssen“, sagt Schäfer, den besondere Bande mit der Lokomotive einen. In seiner aktiven Zeit als oberster Leiter des Rechnungswesens und Controlling aller Daimler-Benz-Produktionswerke weltweit war Schäfer auch zum letzten Vorstand der bis zum Jahr 2003 an der Börse notierten Maschinenfabrik Esslingen berufen worden. Er sollte den Squeeze-out, den zwangsweisen Ausschluss der Minderheitsaktionäre, organisieren, nachdem von dem stolzen Esslinger Traditionsunternehmen, dem einst führenden Unternehmen im Eisenbahnbau in Deutschland, lediglich noch die Grundstücks- und Gebäudeverwaltung geblieben war.

Die Bahn ist im Jahr 1965 stillgelegt worden

„Dabei bin ich über die Lokomotive gestolpert“, schmunzelt Schäfer, der vor zwölf Jahren beim Daimler ausgeschieden ist. Die Lok hatte ihren Abschied aus dem Arbeitsleben schon im Jahr 1965 genommen. Bis dahin war sie als Werksbahn in den Hallen der Maschinenfabrik im Einsatz gewesen. Anschließend stand sie in Esslingen auf dem Abstellgleis, bevor sie im Güterbahnhof von Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) strandete und in Besitz der Stadt gelangte.

Zu Beginn dieses Jahres hat der Kornwestheimer Gemeinderat beschlossen, das bisher als Dauerleihgabe dem Verein überlassene Stück Technikgeschichte in eine Schenkung zu verwandeln. „Seitdem haben wir freie Hand“, sagt Schäfer. Zuvor hätte niemand gewusst, wem denn jetzt die alten, als unbrauchbar ausgesonderten Schrauben gehörten und welche Besitzrechte bei neu eingebauten Teilen wie dem Kreuzkopf denn greifen würden. Immerhin hat der Verein den Schätzungen seines Vorsitzenden zufolge bisher rund 150 000 Euro in die Restaurierung des Dampfrosses gesteckt, die vielen Arbeitsstunden gar nicht gerechnet.

Improvisationskunst, nicht nur im Kleinen, sondern dieses Mal im Großen, war auch gefragt, als die Lokomotive mit der Bezeichnung ME 4092 plötzlich ohne Dach über dem noch nicht einmal montierten Schornstein dazustehen drohte. Die Bleibe in der Halle der Firma Paule musste aufgegeben werden, weil der auf Schwertransporte spezialisierten Firma an ihrem Standort in Obertürkheim selbst gekündigt worden war. Inzwischen hat die Lok in Schorndorf eine vorläufige Heimat gefunden. Dort harrt sie unter dem von einem Gönner zur Verfügung gestellten Dach der DBK Historische Bahn besserer Tage.

ME 4092 soll wieder nach Esslingen kommen

Wie die aussehen könnten, davon hat Schäfer schon ganz konkrete Vorstellungen. „Wir hoffen, wenn der Umzug der Firma Paule nach Esslingen klappt, dass uns dort wieder der Teil einer Halle reserviert wird“, sagt Schäfer. Geht es nach seinen Vorstellungen, dann soll die Heirat, das Zusammenführen von Kessel und Rahmen, am Geburtsort der Lokomotive in Esslingen gefeiert werden. Die Hoffnung ist wohl nicht umsonst, denn der Seniorchef, Hermann Paule, ist den Worten Schäfers zufolge ein „absoluter Eisenbahnfreak“.

Auf solcherart Unterstützung ist der Verein angewiesen, sollte die Vision Wirklichkeit werden und die Lokomotive einst unter Dampf stehen. Als „Heimatstrecke“ für die ME 4092 ist die Schwäbische Waldbahn vorgesehen, die von Schorndorf nach Welzheim führt. „Auf der Museumsbahn könnten wir uns einen Einsatz sehr gut vorstellen“, sagt der Vereinschef, um gleich darauf auf die Frage, wann das denn sein könnte, mit den Schultern zu zucken.

Dabei hat der Verein das Glück, noch Leute in den Reihen haben, die in ihrer aktiven Zeit Dampflokomotiven bei der Industrie instand gesetzt haben. Dieses Praxiswissen, kombiniert mit den Fähigkeiten der Mechaniker aus dem Prototypenbau, die nach dem Motto „Goht net, gibt’s net!“ die Ideen der Ingenieure auf die Schiene bringen, sollten ideale Erfolgsgaranten sein. Die Frage, die Schäfer auch unbeantwortet lässt, aber ist, ob ihr Atem so lange reicht, um am Ende des Tages ihrem Schützling neuen Atem einzuhauchen.