Globetrotter aus Esslingen Junges Paar fährt mit dem Rad zum Nordkap
Muskelkater gab es auch. Das ist aber auch absolut verständlich: Miriam Klaus und Pius Knapp tourten mit reiner Muskelkraft von Esslingen ans Nordkap in Norwegen.
Muskelkater gab es auch. Das ist aber auch absolut verständlich: Miriam Klaus und Pius Knapp tourten mit reiner Muskelkraft von Esslingen ans Nordkap in Norwegen.
Ihre Arme haben eine gepflegte, gesunde Bräune. Kommt sie von den Malediven? Den Bahamas? Aus Italien? Nein – von Skandinavien. Diese Länder sind aber nicht gerade für strahlenden Sonnenschein und sommerliche Temperaturen bekannt. „Wir waren eben viel draußen an der frischen Luft“, sagen Miriam Klaus und Pius Knapp und untertreiben damit maßlos. Denn sie sind 7104 schweißtreibende Kilometer von Esslingen zum Nordkap nach Norwegen geradelt. Viereinhalb Monate waren sie meist Open Air unterwegs. Mit wenig Gepäck. Doch zurück gekommen sind sie mit vielen Erinnerungen, Erfahrungen, Erlebnissen.
Da legte sich sogar die Oma einen Instagram-Account zu. Sie wollte live mit dabei sein. Denn Miriam Klaus und Pius Knapp posteten in regelmäßigen Abständen Fotos und kurze Berichte von ihrem Trip. Ihr Timing war optimal. Die 26-Jährige hat gerade ihr Studium der Sonderpädagogik abgeschlossen und nutzte die Zeit bis zum Referendariat für eine sportliche Auszeit. Der 26-jährige Pius Knapp studiert Informatik und Sport auf Lehramt an der Universität Tübingen, hat gerade seine Bachelor-Arbeit abgegeben und wollte sich vor dem Master-Studiengang unbeschwerte Wochen gönnen.
Ganz so unbeschwert war der Mammut-Trip aber nicht. Ausgerechnet im allgemeinen als süß geltende Eichhörnchen, erzählt er, machten ihm das Radlerleben schwer. Immer wieder wuselten sie über die Straße. Einmal rannte eines zielgenau zwischen Hinter- und Vorderrad durch. Eine perfekte Route für beide – Tier und Mensch. Denn beide überstanden den Risikolauf unbeschadet. Überhaupt gab es während der ganzen Reise keine Stürze, erzählen beide Globetrotter. Doch Pius Knapp wurde einmal ausgeknockt. Er ging frisch und munter zu Bett und wachte mit Übelkeit auf. Etwa 2,5 Stunden vom norwegischen Bergen entfernt und mitten in der Pampa war das keine optimale Situation. Beide hielten ein Auto an. Der Fahrer erwies sich als ausgesprochener Menschenfreund und fuhr Patient und Begleitperson zu einem befreundeten Arzt. Eine Lebensmittelvergiftung oder ein Virus wurden festgestellt. Keine sehr genaue, aber doch eine beruhigende Diagnose. Nach einem kurzen Genesen und Krafttanken schwangen sich beide Reisende wieder in den Sattel.
Das Kernproblem aller Touristen mussten auch sie lösen. Die ewige Frage „Was nehme ich mit“ war bei ihnen aber durch ein extrem begrenztes Platzangebot extrem eingegrenzt. Satteltaschen und einen Gepäcksack hatten sie dabei. Doch in dem wenigen Stauraum mussten auch Camping-Ausrüstung und Kletter-Equipment Platz finden. Denn für beide war klar: Eine Kulturtour sollte es nicht werden. Sie wollten eine Kombination aus Radeln und Klettern. Entspannungstage dienten daher weniger dem Chillen und Nichtstun, sondern vielmehr dem Erklimmen möglichst hoher Berge.
Am Anfang war das Reisen noch vergleichsweise luxuriös. Während der ersten Phase von Esslingen quer durch Deutschland wurden noch Verwandte und Bekannte besucht. Das bedeutete ein Bett und ein festes Dach über dem Kopf. Über Dänemark ging es weiter nach Bergen in Norwegen. Da wurden die Reisebedingungen spartanischer. Das „Jedermannsrecht“ in nordischen Ländern, das allen Menschen grundlegende Rechte bei der Nutzung der Wildnis und teilweise privatem Landeigentum zugesteht, wurde für das Übernachten in Anspruch genommen und genutzt. Meist campten Miriam Klaus und Pius Knapp irgendwo im Nirgendwo. Hatten sie wenigstens ein Deluxe-Zelt mit vielen Annehmlichkeiten? Erwartungsgemäß schütteln beide den Kopf. Ein kleines, normales Zelt für zwei Personen war ihr Zuhause. Einen Luxus aber hatten sich beide gegönnt: Kleidung und Equipment waren wetter- und sturmfest.
Doch gegen den ewigen Tag kann auch eine robuste Allzweck-Jacke nicht schützen. Im Sommer wird es in Skandinavien auch nachts nicht richtig dunkel. Doch die ständige Helligkeit brachte die beiden Reisenden nicht aus dem Konzept. Pius Knapp hat sich sein Radlerstirnband über die Augen gezogen, Miriam Klaus hat einen festen Schlaf – das Dauerlicht war nicht weiter störend. Gestört wurde der Trip auch nicht von durch ein ständiges Zusammensein bedingten Spannungen: Sie hätten sich sehr gut verstanden, sagen beide. Auch weil sie ein gemeinsames Ziel hatten. Das Nordkap erwies sich nach der Ankunft in der Wahrnehmung beider Radler als nicht besonders spektakulär.
Doch das Ankommen und das bis dahin Geschaffte versetzte beide trotz landschaftlich geringer Umgebungsreize in Hochstimmung. Im Museum vor Ort konnten Einblicke und Eindrücke gesammelt werden. Das stimmte zusätzlich versöhnlich. Doch am Nordkap endete die Planung. Bis dorthin hatten sie alles ausgetüftelt. Was dann passieren sollte, wussten sie nicht. Aber sie entschieden sich für eine Rückfahrt über Schweden. Die Ankunft in Esslingen war herzlich und lokal geprägt. Das Willkommensschild war auf schwäbisch verfasst: „Willkommen drhoim.“
Zahlen
Mariam Klaus und Pius Knapp waren an insgesamt 80 Radtagen von 6. Mai bis 15. September 7104 Kilometer von Esslingen ans Nordkap unterwegs. An manchen Tagen schafften sie 90 Kilometer, besondere Etappen dehnten sich aber auch auf 150 Kilometer am Tag.
Nordkap
Das Nordkap ist seit 1999 der nördlichste vom Festland aus auf dem Straßenweg erreichbare Punkt Europas und mit seinem Wahrzeichen, dem Globus, ein bedeutendes touristisches Reiseziel.