Trotz erfreulicher Einnahmen fordern die Fraktionen im Esslinger Gemeinderat bei der zweiten Lesung nur wenige Verbesserungen für den Haushalt 2018/2019. Immerhin: für ein Projekt wollen alle Fraktionen mehr Geld geben.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Es ist in gleich doppelter Hinsicht eine neue Erfahrung für fast alle Mitglieder des Esslinger Gemeinderats. Denn über einen Doppelhaushalt hat das Gremium noch nie beraten. Und an Zeiten, in denen die Stadträte über einen Haushalt beraten durften, der ein ordentliches Plus – immerhin voraussichtlich zehn Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren – aufweist, können sich nur noch sehr altgediente Stadträte erinnern.

 

In der Beurteilung dieser Situation gingen in der zweiten Lesung des Haushalts am Montag die Meinungen der Fraktionen aber ein wenig auseinander. Der SPD-Fraktionschef Andreas Koch stellte seinen Beitrag unter das Motto „Haushalt mit Perspektive – Esslingen mit Zukunft“ und verwies darauf, dass der Entwurf „Nötiges und teilweise sogar Wünschenswertes möglich“ mache. Carmen Tittel bescheinigte den Esslinger Finanzen eine „gute Verfassung“: „Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zum letzten Mal sagen konnte.“

Trotz guter Finanzlage keine Euphorie

Nicht ganz so positiv sahen es die CDU und die Freien Wähler. Zwar gebe es momentan wegen der boomenden Wirtschaft historisch hohe Einnahmen, erklärte der CDU-Fraktionschef Jörn Lingnau. Doch der Überschuss in der Stadtkasse komme nur zustande, weil die Kreisumlage um ein Prozent geringer ausfalle als ursprünglich angenommen. Auf die Abhängigkeit von den äußeren Rahmenbedingungen verwies auch Annette Silberhorn-Hemminger von den Freien Wählern. Zwar sei das Ergebnis „absolut erfreulich“. Jedoch zeige es auch, „wie fremdbestimmt und somit risikobelastet dieses positive Ergebnis und der Haushalt insgesamt sind.“

Einig sind sich alle Fraktionen darin, dass trotz des positiven Ergebnisses die Stadt gut beraten ist, wenn sie ihren Kurs der Haushaltskonsolidierung konsequent fortsetzt. Die guten Jahre, so der allgemeine Tenor, müsse man dazu nutzen, um die in der Weltfinanzkrise 2008/2009 entstandenen Schulden so schnell wie möglich abzubauen.

Die kostenwirksamen Anträge der Gemeinderatsfraktionen halten sich deshalb auch in diesem Jahr in vergleichsweise engen Grenzen. Klar ist nach der Sitzung lediglich, dass die Esslinger Weinbauern für die Sanierung und die Erhaltung der stadtbildprägenden Trockenmauern in den Esslinger Steillagen mit einem Zuschuss der Stadt rechnen kann. Einzig über die Höhe der zu gewährenden Forderung muss in den kommenden Wochen geredet werden.

Im Fokus steht der Bücherei-Neubau oder die Sanierung

Im Fokus steht aber vor allem der geplante Bibliotheksneubau. Dem Vorschlag der Verwaltung, in den kommenden beiden Jahren den erwarteten Haushaltsüberschuss in einer Investitionsrücklage zu sammeln und daraus die Sanierung oder den Neubau der Bücherei zumindest zu einem erheblichen Teil finanzieren, stößt bei SPD, CDU und den Grünen auf Zustimmung. Auch die Freien Wähler stimmen für eine solche Investitionsrücklage, plädieren aber dafür, das Geld für die Brückensanierung einzusetzen.

Möglichst zeitnah erwarten die Freien Wähler zudem Informationen zu den laufenden Untersuchungen für den geeigneten Büchereistandort. Rena Farquhar forderte für die FDP den Verzicht auf eine weitere Erhöhung der Grundsteuer und den Verzicht auf die Einführung einer Bettensteuer. Diese sei wegen des hohen organisatorischen Aufwands vollkommen sinnlos und schwäche die örtliche Hotellerie.

Die Anträge der SPD

Wie schon im Vorjahr fordert die SPD die Einrichtung eines Runden Tisches für die Brückensanierung. Um den Wohnungsmarkt zu entlasten, soll die Wirkung des vom Gemeinderat beschlossenen Wohnraumversorgungskonzepts erforscht, ein Leerstandsmanagement geschaffen und den Notwendigkeiten entsprechend personell ausgestattet werden.

Die aus dem Jahr 2005 stammende Leitplanung für Straßen und Plätze der Altstadt soll mit dem Ziel von mehr Barrierefreiheit überarbeitet werden. Es müssen weitere ganztägige Betreuungsplätze für Kinder geschaffen werden. Weil deren Vergabe „archaisch und intransparent“ sei, müsse ein modernes Online-Anmeldeverfahren eingeführt werden. Esslingen dürfe zudem beim Thema Digitalisierung in den Schulen nicht hinterherhinken. Notfalls will die SPD für den IT-Support eine zusätzliche Stelle schaffen.

Trotz der neuen Sporthalle in der Grundschule Zell und dem Sportpark Weil gibt es im Bereich Sport noch viel zu tun. Die SPD plädiert für einen wettkampfgerechten Neubau der Schelztorsporthalle. Die Planungen dafür müssten zeitnah beginnen. Auch der Bau einer Traglufthalle über dem Freibad des SSV Esslingen müsse wohlwollend geprüft werden.

Jährlich 30 000 Euro soll die Stadt zur Verfügung stellen, um die historischen Mauersteillagen der Neckarhalde erhalten zu können. Die Stadt soll zudem ein Konzept zum Personalmanagement entwickeln, um qualifizierten Nachwuchs nach Esslingen zu locken.

Die Anträge der CDU

Die CDU beantragt zwar, zukünftige Mehreinnahmen ausschließlich zur Schuldentilgung zu nutzen. Allerdings: ein paar Wünsche hat die Partei dennoch. So soll der Kommunale Ordnungsdienst um zwei Stellen aufgestockt werden, um des Mülls in der Altstadt, auf dem Bahnhofsvorplatz und in den Weinbergen Herr zu werden. Zudem erneuert die CDU ihre Forderung, zur Entlastung der Altstadt den Bau eines Parkhauses im Burgberg zu prüfen und eine detaillierte Kostenberechnung zu erstellen. Zur Verkehrsberuhigung sollen an noch festzulegenden Zugängen zur Altstadt versenkbare Poller gebaut werden. So soll der Parksuchverkehr ausgeschlossen werden. Berechtigte könnten mit Funksendern ausgestattet werden.

Auch die CDU hat ein Herz für die Esslinger Steillagen und Weinberge: Weil das Land kein Geld mehr für die Sanierung der maroden Trockenmauern gibt, soll die Stadt für die Kosten einspringen. Das Kulturamt hat nach Überzeugung der CDU bisher zu wenig zur Haushaltskonsolidierung beigetragen. Die Gemeinderatsfraktion fordert deshalb, den städtischen Zuschuss zu den Meisterkonzerten zu streichen.

Bevor die Stadt mit der Sanierung der Neckarbrücken beginnt, soll ein Verkehrskonzept für die gesamte Stadt erstellt werden, das den möglichen technischen Fortschritt, die Bevölkerungsentwicklung, den neuen Flächennutzungsplan und Änderungen im Verkehrsverhalten und im Arbeitsleben berücksichtigt. Die Mittel für den Straßenbau solllen um 500 000 Euro auf 1,5 Millionen Euro erhöht werden.

Die Anträge der Freien Wähler

Die Freien Wähler unterstützen die neuen Stellen in der Wirtschaftsförderung, Kulturpädagogik und im Stadtplanungs- und Tiefbauamt für die anstehenden Brückensanierungen. Sie fordern aber ein effektiveres Stellenbesetzungsverfahren. Zudem erwartet die Fraktion halbjährig Berichte darüber, welche Stellen aus dem neu geschaffenen Stellenreserve-Topf besetzt werden.

Grundsätzlich begrüßen die Freien Wähler, dass fünf Millionen Euro als Investitionsrücklage gespart werden sollen. Allerdings soll geprüft werden, ob das Geld nicht besser für die Brückensanierung als für den Büchereineubau oder deren Sanierung zurückgelegt werden soll. Im Zusammenhang mit den Büchereiplänen soll die Verwaltung prüfen, ob man in diesem Gebiet der östlichen Altstadt vielleicht ein neues Sanierungsgebiet ausweisen könne.

Für die Erhaltung der Weinbergmauern will die Fraktion 30 000 Euro jährlich zur Verfügung stellen. Rund 150 000 Euro könnte die Stadt nach Auffassung der Freien Wähler einmalig bereit stellen, um den Fahrradabstellplatz näher an das Schelztor-Gymnasium heranzubauen. Die geplanten Mittel für den Neckaruferpark – in den kommenden zwei Jahren 5,2 Millionen Euro – sollen vorerst gesperrt werden, bis ein konkreter, überzeugender Plan für diesen neuen Grünzug vorliegt. Zudem erwarten die Freien Wähler Vorschläge, was nach dem Neubau der Feuerwache Wäldenbronn aus dem Bestandsgebäude werden soll. Es dürfe nach dem Umzug nicht zu einem jahrelangen Stillstand an dieser Stelle kommen.

Die Anträge der Grünen/Bündnis 90

Die Grünen fordern ein nachhaltiges Mobilitätskonzept und die Diskussion ihres eigenen Vorschlags dafür im Gemeinderat. Zudem soll ein Mobilitätsausschuss gegründet werden, in dem alle wichtigen Verkehrsthemen besprochen werden. Ein wesentlicher Teil davon sei die Stärkung des Radverkehrs in der Stadt. Dieser müsse verdoppelt werden. Aber die Grünen denken auch an Fußgänger: Bei der Erneuerung des Kopfsteinpflasters in der Altstadt soll immer ein Streifen mit leicht begehbarem, barrierefreiem Pflaster hergestellt werden.

Um die vorhandenen Bauflächen bei der Innenverdichtung besser nutzen zu können, soll die Verwaltung die Stelle eines kommunalen Flächenmanagers schaffen. Schlecht genutzte Flächen in der Stadt wie Garagenlandschaften und Parkplätze sollen überbaut werden.

Die ehrgeizigen Esslinger Klimaschutzziele wollen die Grünen weiter verfolgen. Um das Tempo der Bemühungen noch einmal deutlich zu steigern, soll die Stadt Gesellschafterin der neu aufzustellenden gemeinnützigen Gesellschaft Energieagentur Landkreis Esslingen werden.

Die Mauern in den Steillagen der Weinberge sind der Partei sogar 40 000 Euro jährlich wert. Zudem beklagen die Grünen den schlechten Zustand des Pliensauturms. Die Verwaltung soll die Kosten für die Sanierung ermitteln und erste Schritte zur Erhaltung in die Wege leiten. Die Pliensaubrücke wiederum soll fast vollständig für den Verkehr gesperrt werden, um die dort aus Sicherheitsgründen aufgestellten Gitter abbauen zu können.