Seit vier Jahren wartet ein Kamin auf dem Esslinger Ebershaldenfriedhof auf seine Sanierung. Er gehört zum denkmalgeschützen Krematorium.

Esslingen - Kein Geld zu haben, kann ganz schön teuer werden. Diese bittere Erfahrung macht derzeit die Stadt Esslingen mit ihrem Ebershaldenfriedhof. Im Jahr 2005 hatte der Gemeinderat beschlossen, den Betrieb des dortigen Krematoriums einzustellen. Die Technik entsprach nicht mehr den Umweltschutzanforderungen. Die Räume sind eng. Der Versuch, eine moderne Technik zu installieren, war nach jahrelangen Bemühungen, diversen Insolvenzen der beteiligten Firmen und einem technischen Defekt mit anschließender Überhitzung der Anlage gescheitert.

 

Ein Abriss kam allerdings auch nicht infrage. Denn sowohl die 1902 im Stil der italienischen Renaissance errichtete Feierhalle als auch das elf Jahre später angebaute Krematorium stehen unter Denkmalschutz. Zusammen mit dem als Obelisk geformten Schornstein - jede Erinnerung an eine industrielle Fabrikhalle sollte damals vermieden werden - stellt das Ensemble aus denkmalpflegerischer Sicht ein wichtiges Zeugnis der Bestattungskultur Anfang des 20. Jahrhunderts dar.

Keine Sanierung in der Finanzkrise

Doch mit der Einstellung des Krematoriumbetriebs sind die Probleme nicht kleiner geworden. Weil der Schornstein nicht mehr benutzt wird, also nicht mehr von innen getrocknet wird, nagt der Zahn der Zeit immer stärker an ihm. Im August 2007 stellten Fachleute grobe Risse im äußeren Mauermantel fest und sahen Gefahr in Verzug. Aus Sorge, Herbststürme könnten dazu führen, dass Teile des Mauerwerks unkontrolliert auf den Boden stürzen, wurde ein Sicherungsgerüst aufgebaut. Geschehen ist seitdem wenig. Das Gerüst steht noch immer - und kostet den Steuerzahler seitdem monatlich 400 Euro. Rund 15.000 Euro Mietkosten sind bisher aus der Stadtkasse an die Gerüstbaufirma überwiesen worden.

Erfreut ist Burkhard Nolte, der Leiter des städtischen Grünflächenamts in Esslingen, verständlicherweise nicht über die Situation. Doch ihm sind die Hände gebunden. Zwar erteilte das Landesdenkmalamt nach intensiven Beratungen im Oktober 2009 die Genehmigung, den äußeren Mauermantel zu sanieren und die ebenfalls in Form eines Obelisken geformte Kaminkopfabdeckung wieder auf den Schornstein zu montieren. Doch dann machte die Finanzkrise der Stadt einen Strich durch die Rechnung: Denn angesichts des sich gewaltig auftürmenden Schuldenbergs sah in der Stadt niemand die Möglichkeit, die für die Sanierung notwendigen 105.000 Euro zur Verfügung zu stellen.

Die Baumaßnahmen beginnen bald

"Daran hat sich bis heute nicht viel geändert", sagt Burkhard Nolte. Ein Abbau des Gerüsts kommt aus seiner Sicht aber überhaupt nicht infrage. Die Konstruktion werde immer wieder benötigt, um Kontrollgänge durchzuführen und den weiteren Verfall des äußeren Mauermantels zumindest weitestgehend zu verhindern. Da eine Komplettsanierung aber momentan finanziell nicht darstellbar sei, werde gerade geprüft, ob der Krematoriumschornstein in mehreren kleinen Bauabschnitten gesichert werden kann.

Ein besonderes Problem stellt dabei der bei der Überhitzung beschädigte Edelstahlschornstein dar, der erst 2003 im Zuge der Sanierung eingebaut worden ist. Auch er muss entfernt werden, wenn der Originalschornstein nachhaltig geschützt werden soll. Dennoch ist Burkhard Nolte vorsichtig optimistisch, dass noch in diesem Jahr tatsächlich die ersten Baumaßnahmen im Ebershaldenfriedhof in Auftrag gegeben werden können.

Hintergrund: Die Geschichte des Krematoriums

Feuerbestattung Seit 1850 diskutieren Ärzte in Deutschland über die sinnvollste Art der Bestattung. 1903 hält Professor Karl Weigt, ein Vorkämpfer der Kremation, einen Vortrag in Esslingen. Im gleichen Jahr gründet sich ein Feuerbestattungsverein. Das Ziel des Vereins ist der Bau eines Krematoriums in der Stadt. Ende 1903 hat der Verein 100 Mitglieder, wenig später sind es schon mehr als 600 Mitglieder.

Bauwerk 1907 wird das Krematorium in Stuttgart eröffnet. Mitglieder des Esslinger Vereins können sich dort bestatten lassen und sind finanziell daran beteiligt. Doch auf Stuttgart wollen die Esslinger nicht angewiesen sein. 1913 entsteht nach Plänen des Architekten Hermann Klotz das Krematorium in Esslingen. Die Anlage gilt weithin als "in jeder Beziehung mustergültig". Das steht 1915 in der in Wien erscheinenden Zeitschrift "Phoenix". 2005 wird in Esslingen der Krematoriumsbetrieb eingestellt. Heute arbeitet Esslingen wieder mit dem Stuttgarter Krematorium auf dem Pragfriedhof zusammen.