Das Esslinger Kulturzentrum Dieselstraße rüstet sich für den Einweihungsempfang am Dienstagabend und die Eröffnung am Samstag.  

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Stuttgart - In der Dieselstraße wird die Zeit knapp. Wenige Stunden vor der internen Einweihung am Dienstagabend mit der Esslinger Stadtverwaltung und vier Tage vor der offiziellen Wiedereröffnung am kommenden Samstag räumen die ehrenamtlichen Helfer gerade noch die Küche ein, spülen das Geschirr oder bauen die letzten Möbel auf. Wie ein kleines Vorstadttheater sieht das neu gestaltete Haus jetzt aus, mit seiner großen Fensterfront und der silbernen Aufschrift Kulturzentrum Dieselstraße. Davor sind geschotterte und eingefasste Parkplätze, die dem ganzen Bau noch etwas Nüchternes geben. Im Oktober sollen dort jedoch wieder erste Bäume stehen und an die Zeit erinnern, als ein Zaun und eine dicke Hecke den grünen Hof umschlossen.

 

Der Veranstaltungssaal ist jetzt doppelt so groß wie früher, die Möglichkeiten, ihn zu nutzen, haben sich vervielfacht. Konnten bisher nur kleine Konzerte und Kleinkunst stattfinden, ist jetzt auch Platz für zeitgenössischen Tanz, Ausstellungen oder große Konzerte. Mit der kommenden Spielzeit richtet sich das Programm neu aus und wendet sich jungen Leuten zu. Mit einer Reihe zur aktuellen Popmusik will die Dieselstraße neue musikalische Entwicklungen in das Haus holen.

Die Dieselstraße will nicht angepasst sein

Nach wie vor fühlt sich das Kulturzentrum verpflichtet, Nachwuchskünstlern eine Chance zu geben. Der Ertrag, davon ist die Geschäftsführerin Sabine Bartsch überzeugt, wird früher oder später kommen. Als ein Beispiel dafür nennt sie den Kabarettisten Georg Schramm, der inzwischen mit der Satiresendung "Neues aus der Anstalt" bundesweit Furore gemacht hat. Schramm sei als blutiger Neuling vor 20 Jahren in Esslingen aufgetreten, "damals kamen höchstens zehn Leute". Dass Schramm am 6. Oktober die Dieselstraße bespiele und nicht etwa das große Neckar Forum, habe damit zu tun, dass er sich dem Haus in der Pliensauvorstadt, in dem er seine ersten Karriereschritte gemacht habe, verbunden fühle.

Mit der Wiedereröffnung kommt das neun Jahre währende Hin und Her über die Umzugspläne der Dieselstraße zu seinem Ende. Diese neun Jahre haben dem soziokulturellen Zentrum auch eine Entwicklung beschert, die vom alternativen Rand der Gesellschaft in ihre Mitte geführt hat. Vom Rand der Stadt in ihre Mitte hat es allerdings nicht gereicht, auch wenn der Beschluss, neben das Dick-Areal zu rücken, zum Greifen nahe gewesen war. Am alten Standort renoviert, wertet das Haus nach Ansicht der Stadtplaner jetzt immerhin die Pliensauvorstadt auf.

Und der Charme des Hauses? "Nein", sagt Sabine Bartsch, "ich trauere dem alten Gebäude nicht nach, es ist noch genug von der alten Dieselstraße vorhanden." Auch wenn die Büros renoviert sind und der Saal nicht wiederzuerkennen ist. Denn es geht ihr um den Geist der Dieselstraße, und der habe sich nicht geändert, weder in der Geschäftsführung noch im Trägerverein. Noch immer werde basisdemokratisch entschieden, wenn auch nicht mehr über jede Kleinigkeit stundenlang debattiert, wie in den Flegeljahren der Dieselstraße. Sabine Bartsch ist zwar erst 17 Jahre dabei, aber sie hat noch die Protokolle der Sitzungen der ersten Stunde. Zum Geist des Hauses gehört auch, dass die Dieselstraße nach wie vor nicht angepasst sein will, und dass sie nach wie vor den politischen Diskurs führt. So soll es auch in Zukunft bleiben, das ist der feste Wille Sabine Bartschs.

Das Ende eines langen Weges

Geburt: In den frühen 80er Jahren forderte die Jugend Orte, die ihren Bedürfnissen entgegenkamen und an deren sie ihre Kultur leben konnte. Meist in leer stehenden Fabriken entstanden soziokulturelle Zentren. So auch in Esslingen, wo 1981 verschiedene Gruppen in die Firma Stiefelmayer zogen.

Auf- und Abstieg: Nach dem Umzug in die Dieselstraße schrieb das Projekt zunächst eine Erfolgsgeschichte. Unterstützt von einem Trägerverein brachte sie Leben und Kultur in das Gebiet an der B 10. Doch das Gebäude verfiel, weder der Eigentümer wollte investieren noch die Stadt. Schließlich gehöre ihr das Haus nicht, begründete die Verwaltung.

Umzugspläne: Als neue Standorte waren seit 1991 mehrere Möglichkeiten in der Innenstadt im Gespräch. Die CDU-Fraktion überlegte, das Kulturzentrum in der alten Kreissparkasse bei der Vogelsangbrücke einzuquartieren. Nachdem ein Raumkonzept erstellt worden war, wurde klar, dass der Platz nicht reichte. Die SPD favorisierte einen Standort am alten Zollamt, der aus Sicht der Sozialdemokraten eine gute Ergänzung zur Kneipenmeile im Dick-Areal wäre. Am Ende entschied das Geld: Geschwächt von der Wirtschafts- und Finanzkrise wollte die Stadt Investitionen von 3,5 Millionen Euro in das Alte Zollamt nicht mehr tragen. Um aber staatliche Zuschüsse nicht verfallen zu lassen, musste eine schnelle Lösung her. Die Stadt kaufte die Dieselstraße für 300.000 Euro, ließ das Gebäude teilweise abreißen und baute es nun für 1,5 Millionen Euro wieder auf.

Neustart: Der Eröffnungsnachmittag am Samstag, 24. September, hat den Titel: "Alles auf Anfang". Von 14 Uhr an kann man das neue Haus anschauen. Dazu gibt es ein Kinderprogramm mit dem Clown Schorsch, Phillip Flint, Ingrid Irrlicht und dem Chor Klasse Acapella. Außerdem tritt das Improtheater Krimiwerke auf. Während es für den Nachmittag noch Karten gibt, ist das Abendprogramm ausverkauft.

Septemberprogramm: Am Sonntag, 25. September, spielen um 20 Uhr der Trompeter Till Brönner und der Schlagzeuger Günter Sommer Jazz und Pop. Am Freitag, 30. September, kommt der Wortkünstler Michael Feindler. Er verbindet Kabarett und Dichtkunst; "Allein unter Menschen" ist der Titel seines Programms, das um 20.30 Uhr beginnt.