Nach der Massenprügelei im Dezember 2012 in Esslingen müssen sich jetzt elf Männer wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten. Bei der Auseinandersetzung zwischen den Banden Red Legion und Black Jackets war ein 22-Jähriger tödlich verletzt worden.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart/Esslingen - Zu Beginn des Prozesses gegen elf Männer wegen der tödlichen Massenprügelei in Esslingen am 21. Dezember 2012 haben drei Verteidiger vier Befangenheitsanträge gegen das Gericht gestellt. Den Angeklagten im Alter von 21 bis 27 Jahren wird vorgeworfen, an jenem Freitag gegen kurz vor Mitternacht mehrere Mitglieder der Black Jackets aus einer Bar am Esslinger Obertor gelockt und ohne Warnung auf sie eingeprügelt und eingestochen zu haben. Ein 22-Jähriger wurde mit Messerstichen in die Brust und ins Herz tödlich verletzt, weitere acht Männer wurden verletzt, einer von ihnen lebensgefährlich.

 

Die Befangenheitsanträge drehen sich im Wesentlichen um die Bestellung der Verteidiger. Wegen des Umfangs des Verfahrens hat die 3. Große Jugendkammer des Stuttgarter Landgerichts jedem Angeklagten zwei Verteidiger zugeordnet, um beim Ausfall eines Verteidigers den Fortgang des Verfahrens zu sichern. Bei der Bestellung dieser zweiten Verteidiger habe das Gericht einigen Angeklagten nicht die Möglichkeit gegeben, sich selbst einen zweiten Anwalt zu suchen, sondern selbst einen Verteidiger zugeordnet. Dies habe das Recht der betroffenen Angeklagten auf ein faires Verfahren verletzt, so der Tenor der Anträge, und das Vertrauen in die Richter erschüttert. Diese seien als befangen abzulehnen. Über die Anträge wird die Kammer entscheiden.

Schnelle und tödliche Attacke

Ungeachtet dieses „prozessualen Beiwerks“, wie es der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen formulierte, verlas der Staatsanwalt Thomas Hochstein gestern die Anklage. Demnach wollten die elf Männer als Mitglieder der inzwischen verbotenen Bande Red Legion gemeinsam mit mehreren Kumpanen einigen Mitgliedern der Black Jackets, die sich in einer Shisha-Bar in Esslingen aufhielten, eine Abreibung verpassen. Dazu bauten sie sich im Dunkel rechts und links der Bar auf und lockten den ehemaligen Präsidenten des Stuttgarter Chapters der Black Jackets nebst seinen Begleitern auf die Straße. Dort, so heißt es in der Anklage weiter, habe einer der Anklagten dem einstigen Black-Jackets-Anführer sogleich in den Bauch gestochen und damit das Startsignal für die brutale Massenattacke gegeben.

Dann ging offenbar alles weitgehend durcheinander, vor allem aber blitzschnell. Gegen 23.50 Uhr riefen die ersten Passanten und Autofahrer die Polizei an, drei Minuten später war die erste Streife vor Ort – und sah die letzten Angreifer bereits flüchten. Einige wurden kurz darauf gefasst, andere im Laufe des Dezembers und im Januar. Nun sind die Angeklagten auf die Justizvollzugsanstalten im Land verteilt und werden zu jedem Prozesstag zum Teil mit mehreren Stunden Anfahrt aus Freiburg, Lörrach oder Oberndorf nach Stuttgart gebracht. Zurzeit sind mehr als 50 Verhandlungstage anberaumt. Zeugen werden nach und nach geladen. Mehrere Opfer treten als Nebenkläger auf. Es handelt sich zum Teil um ehemalige Black-Jackets-Mitglieder, die sich beim Mammutprozess gegen 21 Männer nach einer fast tödlichen Attacke auf einem Esslinger Schulhof wegen versuchten Mordes verantworten mussten. Das Verfahren hatte zweieinhalb Jahre gedauert und die Stuttgarter Justiz an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht.

Jubelnde Sympathisanten vor dem Gericht

Ob das tödliche Geschehen jener Dezembernacht vor Gericht im Detail aufgeklärt werden kann, ist völlig offen, vermutlich sogar eher unwahrscheinlich. Die elf Männer sind wegen gemeinschaftlichen Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruchs angeklagt. Bisher ist zum Beispiel unklar, wer dem Mordopfer tatsächlich die tödlichen Messerstiche beigebracht hat. Einer der Angeklagten ist offenbar dringend tatverdächtig, weil er nahe am Todesopfer agiert haben soll. Fest steht er als Täter jedoch nicht.

Die Bande Red Legion ist zwischenzeitlich verboten, doch einstigen Mitglieder und deren Sympathisanten hängen noch immer zusammen. Am Montag wurden die Angeklagten von rund 40 Gleichgesinnten und Angehörigen mit Jubel und Siegesgesten empfangen. Im Gericht herrschen verschärfte Sicherheitsvorkehrungen. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.