Esslinger Wohnungsmarkt Blaue Briefe für raffgierige Vermieter

Die Wohnungsnot ist so groß, dass viele Wohnungssuchende auch überteuerte Mieten in Kauf nehmen. Foto: dpa/Armin Weigel

Laut dem Deutschen Mieterbund Esslingen-Göppingen verstößt ein Drittel der Online-Angebote in Esslingen gegen die Mietpreisbremse. Er fordert die Stadt auf, dem Beispiel von Freiburg zu folgen und den Vermietern ein Bußgeldverfahren anzudrohen.

Esslingen gehört zu den teuersten Mieterstädten in Deutschland“, sagt Udo Casper, der Vorsitzende des Deutschen Mieterbunds Esslingen-Göppingen. Und er sieht wenig Chancen, dass sich die Stadt von diesem traurigen Spitzenplatz so schnell verabschieden kann. Denn mehr als ein Drittel der Esslinger Wohnungsangebote lägen oberhalb der Mietpreisbremse. Deshalb solle die Stadt jetzt gegen die schwarzen Schafe unter den Vermietern aktiv werden.

 

Verlangt der Eigentümer bei der Wiedervermietung mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, dürfen die Bewohner rügen und eine Senkung verlangen. Das besagt die Mietpreisbremse, die seit Juni 2020 auch für Esslingen gilt. Sie zeigt Casper zufolge zwar durchaus Wirkung – aber aufgrund einiger systemimmanenter Mängel nicht in dem gewünschten Umfang. Der gravierendste Haken: Dem Vermieter drohen keinerlei Sanktionen. Dennoch könne man als Kommune durchaus darauf hinwirken, präventiv gegen zu teure Mieten vorzugehen. Casper verweist auf die Stadt Freiburg, die mithilfe des Start-ups Mietenmonitor systematisch die Onlineangebote auf dem Wohnungsmarkt untersucht, die Vermieter gegebenenfalls anschreibt und mit einem Bußgeldverfahren droht.

Mietenmonitor hat dafür eine eigene Software entwickelt, die die Angebote im Netz mit dem Mietspiegel abgleicht. Im Auftrag des Mieterbunds Esslingen-Göppingen hat das Start-up das auch für Esslingen gemacht – mit ernüchterndem Ergebnis. Casper: „Bei 36,6 Prozent der Online-Angebote wurde ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Mietpreisbremse festgestellt“, wobei der tatsächliche Anteil noch höher liegen dürfte, weil im Zweifelsfall zugunsten der Vermieter gerechnet worden sei. Bei 4,3 Prozent könne man sogar von Mietwucher sprechen.

Bei einer durchschnittlichen Wohnung im Bestand, für die der aktuelle Mietspiegel 8,99 Euro pro Quadratmeter ausweist, könnten schon Angebotsmieten von über 9,90 Euro vom Mieter beanstandet werden – es sei denn, es handle sich um Neubauten oder von Grund auf sanierte Räume. Doch die Mietpreisbremse wirke nur, wenn der Mieter bereits unterschrieben habe. Und der setzte sich selten zur Wehr, weil er froh sei, überhaupt eine Wohnung gefunden zu haben.

Auch wenn es Sache des Gesetzgebers sei, hier nachzubessern, könne eine Kommune die Mieterinnen und Mieter auch bei der bestehenden Gesetzeslage vor überhöhten Mietforderungen schützen, verweist Casper auf das Beispiel Freiburg. Die Universitätsstadt schreibe die betreffenden Vermieter an und drohe ihnen ein Bußgeldverfahren an, wenn sie die Miete nicht senken würden. Die Leiterin des Referats für bezahlbares Wohnen der Stadt Freiburg habe berichtet, dass von Januar bis April 2022 insgesamt 120 relevante Verdachtsfälle ermittelt worden seien. Bislang habe man 75 Vermieter kontaktiert. Das bestätigt auch das Freiburger Rathaus. „In einigen Fällen“ sei die Miete nach der städtischen Intervention auch tatsächlich gesenkt worden, so Alexander Sancho-Rauschel vom Persönlichen Referat des Oberbürgermeisters Martin Horn (parteilos).

Casper hält das Freiburger Modell für durchaus nachahmenswert. „Selbst wenn es im Einzelfall schwierig sein kann, Bußgelder wegen Mietwucher zu erwirken, so werden ,blaue Briefe’ der Stadt Esslingen raffgierigen Vermietern aufzeigen, dass die Stadt nicht länger bereit ist, das Ausnutzen des Wohnungsmangels durch Wuchermieten hinzunehmen.“ Der Mieterbund fordert die Stadt deshalb auf, auch den Freiburger Weg einzuschlagen.

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