Der Finanzminister hat die Eckwerte des Haushalts für die kommenden Jahre festgelegt. Klar ist: Die finanziellen Spielräume Deutschlands schrumpfen. Und mehrere Risiken hat Olaf Scholz noch gar nicht eingerechnet.

Berlin - Aus dem Finanzministerium von Olaf Scholz (SPD) sind am Montag die Eckwerte des Haushalts 2020 und die weitere Etatplanung bis 2023 bekannt geworden. Das Zahlenwerk, das langsamer steigende Steuereinnahmen spiegelt und einige Risiken nicht abbildet, soll am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden.

 

Wie ist das wirtschaftliche Umfeld?

„Von einer Katastrophe sind wir weit entfernt, denn wir wachsen immer noch“, heißt es mit Blick auf die Konjunktur im Finanzministerium, „nur nicht mehr so stark wie einmal prognostiziert“. Im Herbst wurde für 2019 noch mit einem Plus von 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung gerechnet – nun wurde der Etat unter der Annahme eines Wachstums von 1,0 Prozent aufgestellt. Allerdings hat etwa das Münchner ifo-Institut seine Prognose gerade erneut abgesenkt auf 0,6 Prozent, was weitere Steuermindereinnahmen nach sich zöge.

Wie entwickelt sich der Haushalt?

Gekürzt wird der Etat laut Planung auch 2020 bis 2023 nicht. Der Bundeshaushalt wächst weiter – nur die Steigerungsraten sinken. Nächstes Jahr soll das Budget 362,6 Milliarden Euro umfassen, ein Plus von 1,7 Prozent. 2023 sind 375,1 Milliarden Euro vorgesehen, was im Vergleich zum Vorjahr 0,9 Prozent mehr entspräche. Im Finanzministerium ist angesichts dieser ersten Sparsignale nur halb im Scherz von einem „Ausstieg aus der Kohle“ die Rede.

Wo investiert der Staat?

Die Investitionsquote steigt von aktuell 38,9 im nächsten Jahr nur leicht auf 39,6 Prozent an, um dann bis 2023 auf diesem Niveau zu verharren. Immerhin aber haben sich die Investitionsausgaben mit rund 40 Milliarden Euro dann im Vergleich zu 2014 fast verdoppelt. So steigen etwa die Verkehrsinvestitionen, vor allem für die Schiene, auf das Rekordniveau von 16 Milliarden Euro im Jahr. Für den Breitbandausbau sind vier Milliarden veranschlagt. Die Forschung zu künstlicher Intelligenz wird 2020 mit einer Milliarde Euro gefördert. Im Haushalt eingestellt sind auch Mittel für Firmen, die ihre Forschungsausgaben künftig steuerlich absetzen können sollen.

Was passiert im sozialen Bereich?

Mit 149 Milliarden Euro bleibt der Etat des Ministeriums für Arbeit und Soziales der größte Posten – bis 2023 steigt er auf gut 161 Milliarden Euro an. Als „Investitionen in den sozialen Zusammenhalt“ bezeichnet das Finanzministerium die beschlossene Erhöhung des Kindergelds und den Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommensteuer. Im Jahr 2021 sollen dann 90 Prozent derer, die heute den Soli bezahlen, davon befreit werden – der damit verbundende Steuerausfall in Höhe von zehn Milliarden Euro pro Jahr ist nun in der neuen Etatplanung berücksichtigt.

Worüber werden die Haushaltspolitiker streiten?

Bis der Haushalt Ende November vom Bundestag beschlossen werden soll, dürfte es insbesondere noch Diskussionen um den Verteidigungsetat geben. „Die Bundesregierung bekennt sich zu ihren Verpflichtungen aus der Bündnisfähigkeit“, heißt es zwar in Scholz’ Vorlage für das Kabinett, die 3,3 Milliarden Euro mehr bis 2023 vorsieht. 2020 wird damit eine Nato-Quote von 1,37 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht. Allerdings ist danach kein weiterer Anstieg vorgesehen in Richtung der 1,5-Prozent-Marke, die Bundeskanzlerin Angela Merkel der Allianz und insbesondere der drängelnden US-Regierung mittelfristig zugesagt hatte – im Gegenteil: Die Quote sinkt der Planung zufolge wieder auf 1,25 Prozent ab. „Im Januar dieses Jahres hat die Bundesregierung der Nato gemeldet, dass im Jahr 2024 1,5 Prozent erreicht werden“, kritisiert der für die Haushaltspolitik zuständige Unionsfraktionsvize Andreas Jung: „Das nun zwei Monate später wieder in Frage zu stellen, schadet unserer internationalen Verlässlichkeit.“

Nach 2020 soll auch der Anteil der Entwicklungsausgaben entgegen internationalen Zusagen wieder sinken. Zudem ist Streit mit den Bundesländern programmiert, da die Zuweisungen in der Flüchtlingspolitik gekürzt werden. Während das Ministerium auf gesunkene Zuwandererzahlen verweist, argumentieren die Länder mit den anhaltend hohen Kosten zur Integration derer, die bereits nach Deutschland gekommen sind.

Welche Kosten sind nicht im Entwurf berücksichtigt?

Keinen Eingang in Scholz’ Planung hat die Grundrente seines SPD-Kollegen Hubertus Heil gefunden. Darüber, wie die geschätzten Kosten von fünf Milliarden Euro jährlich aufzubringen wären, will er erst nachdenken, wenn ein Gesetz auf dem Tisch liegt. Vorsorge ist auch für den Brexit nicht getroffen, der erst recht ohne Austrittsvertrag eine Lücke im EU-Etat reißen könnte. Das Ministerium kalkuliert zudem nicht mit einem nationalen Beitrag von 1,1 Prozent der Wirtschaftsleistung, wie die Brüsseler Kommission vorgeschlagen hat, sondern mit 1,0 Prozent. Franziska Brantner, die europapolitische Sprecherin der Grünen, kritisiert daher, dass die Koalitionsvertragszusage eines höheren deutschen EU-Beitrags nicht umgesetzt wird: „Scholz ist der Blockade-Weltmeister – Sonntags redet er gern von großen Visionen für Europa, umsetzen tut er dann wenig bis nichts.“