Seit 25 Jahren unterstützt das Tübinger Ethik-Zentrum die Wissenschaft in vielen Bereichen auf ihrer Suche nach dem richtigen Handeln im Sinn eines guten Lebens.

Tübingen - Vor 30 Jahren begann alles mit einem Gesprächskreis, vor 25 Jahren ging daraus ein Institut hervor, das es in Deutschland so noch nicht gab: das „Internationale Institut für Ethik in den Wissenschaften“. Die Betonung liegt auf dem kleinen Wort „in“. Es soll gerade nicht darum gehen, Entwicklungen von einem philosophischen Standpunkt aus zu betrachten, nachdem diese abgeschlossen sind. Bei einem Festakt in Tübingen zum Doppeljubiläum formulierte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) eine Kernbotschaft des Ethikinstituts: „Wissenschaft darf ethische Betrachtungsweisen nicht anderen überlassen, Wissenschaft soll ihr Handeln selbst reflektieren, informieren und sprechfähig sein“. Die Ministerin sprach die aktuelle Diskussion über Tierversuche in Tübingen an: Die schrillen Töne dominierten auch wegen der Sprachlosigkeit der Wissenschaft. „Die hat sich aus der Debatte herausgehalten“, sagte die Ministerin vor 160 Gästen.

 

„Wir haben Neuland betreten“

Gründer des Gesprächskreises und bis 2001 Sprecher des Instituts ist Dietmar Mieth, emeritierter Professor für Theologische Ethik. Er legte von Beginn an großen Wert auf einen interdisziplinären Diskurs. „Wir haben mit dem Ethikzentrum Neuland betreten“, sagt Mieth. Aktuelle Sprecherin ist Regina Ammicht Quinn. Sie beobachtet, dass sich das Spektrum der Themen ständig erweitere. Sie erwähnte eine „rasante Nachfrage, kombiniert mit Misstrauen“. Zum einen sei da der Wunsch nach einem Stempel mit der Aufschrift „ethisch geprüft“, zum anderen die Angst, dass ethische Erwägungen Forschung und Lehre einschränken könnten und somit Selbstbestimmung und Freiheit bedrohten. „Wir erfüllen beide Erwartungen nicht“, betonte sie. Ethiker könnten in der Regel weder schnell die Welt retten, noch wollen sie andere Personen, Institutionen oder Systeme in ihrer Freiheit bedrohen. Die Ethik frage vielmehr nach dem richtigen Handeln und dem guten Leben und setze auf das gute Argument. Die Herausforderung bestehe darin, die ethischen Dimensionen der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Techniken zu erkennen sowie Handlungsalternativen abzuwägen. „Zugleich gilt es, die ethische Diskussion nicht nur innerhalb des akademischen Kontexts zu führen, sondern ebenso mit der Politik und der Gesellschaft“, so lautet die Maxime des ältesten Ethikzentrums in Deutschland.

Ein Projekt betrifft die Werbung auf dem PC

Rund 60 Mitarbeiter beschäftigt das Institut, viele von ihnen davon auf Zeit, weil sie sich mit einem bestimmten Projektbeschäftigen. Zu der Handvoll Festangestellter gehört die Philosophin Uta Müller, die seit 2002 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ethikinstitut forscht. Eines ihrer aktuellen Projekte dreht sich um ethische Fragen der Werbung im digitalen Zeitzalter. „Wir untersuchen, ob sich die Werbeproduzenten über die Ethik Gedanken machen“, berichtet sie über die noch nicht abgeschlossene Arbeit.

In der digitale Welt sei unklar, wen die Werbung erreicht, oder „was Kinder im Netz so anschauen“. Werbung stecke überall drin, als Beispiel nennt sie eine Internet-Story für Kinder, bei der ferne Reiseziele eine Rolle spielen. Wenn die kleinen Betrachter einen bestimmten Button drücken, biete ein Reiseveranstalter sogleich Reisen zu den Zielen der Kindergeschichte an. Uta Müller wird wohl belegen können, dass sich viele Werber und Produzenten über ethische Fragen kaum Gedanken machen oder vor ethischen Problemen die Augen verschließen. Die Projekte haben eine große Bandbreite, sie reichen von Medizin- und Bioethik, Sicherheitsethik, Umwelt- und Wirtschaftsethik hin zu Betrachtungen in Kultur oder Bildung. Festrednerin Gesine Schwan betonte einen Aspekt: „Transparenz ist für die ethische Beurteilung unverzichtbar“, sagte die Professorin.