Dreimal wird es für Diamond lebensbedrohlich. Er beschreibt die Situationen in seinem Buch. Einmal kentert sein Kanu kurz vor Sonnenuntergang auf offener See. Nach der Rettung schwört er sich: nie wieder Neuguinea! Zunächst habe er die Schuld am Kentern des Bootes dem jungen, leichtfertigen Fahrer gegeben. „Doch dann wurde mir klar, dass ich alleine die Verantwortung für mein Leben habe. Ich hätte auf ein größeres Boot mit erfahrenerem Fahrer warten können.“

 

Nach diesem Schlüsselerlebnis, das ihn vorsichtig werden ließ, kehrt er nach Los Angeles zu seiner Verlobten zurück und gründet eine Familie. Die Kinder erziehen sie auf Art der Neuguineer: mit so vielen Freiheiten wie möglich. Doch der Dschungel lässt ihn nicht los. „Neuguinea ist das interessanteste, was es auf der Welt gibt, die ganze Welt ist an diesem Ort versammelt.“ Gedanklich sei er stets zu 70 Prozent in Neuguinea, körperlich zu 95 Prozent in Los Angeles. Aber auswandern wollte er nie.

Die zwei Welten, zwischen denen sich der Amerikaner seit 48 Jahren bewegt, könnten unterschiedlicher kaum sein. Diamond ist in Boston geboren. Schon mit sieben Jahren entdeckt er seine Leidenschaft für Vögel – auch am Bahnhof in Stuttgart und während der Zugfahrt wandert sein Blick immer wieder zum Himmel. Dennoch studiert er Physiologie und promoviert über die Gallenblase. Neben seiner Professur für Geografie und Physiologie an der Universität von Kalifornien arbeitet er als Evolutionsbiologe, sein Hauptforschungsfeld ist die vergleichende Geschichte von Gesellschaften. Derzeit spricht er 13 Sprachen, als Sprache Nummer fünf kam in den sechziger Jahren Deutsch dazu.

Wie der Vogelkundler Menschen erforscht

Das Leben in der westlichen Welt weiß der Grenzgänger zu schätzen: die medizinische Versorgung, die Möglichkeit, nach England und Deutschland zu reisen. Er liebt die Oper, klassische Musik, Andechser Bier, die bayerischen Alpen. Und München, die für ihn schönste Stadt der Welt: dort hat er sechs Monate seines Studiums verbracht. Einem seiner Zwillingssöhne hat er den Namen Max gegeben.

In Neuguinea gibt es mehr als tausend Sprachen, Diamond spricht zunächst keine davon. Mit einem einfachen Kauderwelsch, dem Pidgin-Englisch, nähert er sich seinen Gastgebern an. Über die Jahre dauern seine Aufenthalte zwischen viereinhalb Wochen und längstens drei Monaten. Er übernachtet im Zelt und ist auf die Unterstützung der dort lebenden Menschen angewiesen. Denn nur sie kennen die Pfade durch den Dschungel – ein Fehltritt kann tödlich sein.

Ein Ex-Polizist bereitet seine Reisen vor

Seit den achtziger Jahren wird er von einem Freund begleitet, einem ehemaligen Londoner Polizisten. „David bereitet meine Reisen vor und kann Situationen sehr gut einschätzen.“ Auf den Londoner Straßen hat der Weggefährte gelernt, Konflikte ohne Waffen beizulegen. Das ist Diamonds Lebensversicherung: Stammeskriege sind bis heute ein Teil der Tradition in Neuguinea. „Wir sind den Umgang mit Fremden gewohnt. Die Menschen dort waren und sind es teilweise bis heute nicht.“

Diamond dürfte auf seine Gastgeber exotisch gewirkt haben: Der weiße Mann wird, als er bei einem seiner Besuche 40 Jahre alt ist, von der Stammesgesellschaft wegen seines vergleichsweise stattlichen Alters als „halb tot“ eingestuft. „Sie haben mir dann einen zwölfjährigen, kräftigen Jungen als Begleiter zur Seite gestellt.“

Jared Diamond schwört sich: nie wieder Neuguinea!

Dreimal wird es für Diamond lebensbedrohlich. Er beschreibt die Situationen in seinem Buch. Einmal kentert sein Kanu kurz vor Sonnenuntergang auf offener See. Nach der Rettung schwört er sich: nie wieder Neuguinea! Zunächst habe er die Schuld am Kentern des Bootes dem jungen, leichtfertigen Fahrer gegeben. „Doch dann wurde mir klar, dass ich alleine die Verantwortung für mein Leben habe. Ich hätte auf ein größeres Boot mit erfahrenerem Fahrer warten können.“

Nach diesem Schlüsselerlebnis, das ihn vorsichtig werden ließ, kehrt er nach Los Angeles zu seiner Verlobten zurück und gründet eine Familie. Die Kinder erziehen sie auf Art der Neuguineer: mit so vielen Freiheiten wie möglich. Doch der Dschungel lässt ihn nicht los. „Neuguinea ist das interessanteste, was es auf der Welt gibt, die ganze Welt ist an diesem Ort versammelt.“ Gedanklich sei er stets zu 70 Prozent in Neuguinea, körperlich zu 95 Prozent in Los Angeles. Aber auswandern wollte er nie.

Die zwei Welten, zwischen denen sich der Amerikaner seit 48 Jahren bewegt, könnten unterschiedlicher kaum sein. Diamond ist in Boston geboren. Schon mit sieben Jahren entdeckt er seine Leidenschaft für Vögel – auch am Bahnhof in Stuttgart und während der Zugfahrt wandert sein Blick immer wieder zum Himmel. Dennoch studiert er Physiologie und promoviert über die Gallenblase. Neben seiner Professur für Geografie und Physiologie an der Universität von Kalifornien arbeitet er als Evolutionsbiologe, sein Hauptforschungsfeld ist die vergleichende Geschichte von Gesellschaften. Derzeit spricht er 13 Sprachen, als Sprache Nummer fünf kam in den sechziger Jahren Deutsch dazu.

Wie der Vogelkundler Menschen erforscht

Das Leben in der westlichen Welt weiß der Grenzgänger zu schätzen: die medizinische Versorgung, die Möglichkeit, nach England und Deutschland zu reisen. Er liebt die Oper, klassische Musik, Andechser Bier, die bayerischen Alpen. Und München, die für ihn schönste Stadt der Welt: dort hat er sechs Monate seines Studiums verbracht. Einem seiner Zwillingssöhne hat er den Namen Max gegeben.

Obwohl er in Neuguinea vor allem die Vögel beobachtete, hat Diamond Einblicke in die Kultur der traditionellen Stammesgesellschaften gewonnen. Als Anthropologe oder Ethnologe möchte er sich jedoch nicht verstanden wissen, seine Herangehensweise sei eine andere. Scheinbar beiläufig hat er sich während seiner Vogelexkursionen viele Aspekte über die Menschen in Neuguinea erschlossen. Nun will er aufzeigen, was die Welt von traditionellen Gesellschaften lernen kann, bevor sie endgültig verschwinden.

In seinem Buch „Vermächtnis“ plädiert Diamond dafür, ältere Menschen stärker zu integrieren, Kinder nach dem Vorbild der Neuguineer zur Selbstständigkeit zu erziehen (indem man etwa Babys aufrecht und mit Blick nach vorne am Körper trägt), den Salzkonsum zu beschränken, mehr Obst und Gemüse zu essen, bei Konflikten auf Vermittler zu setzen, familiäre und freundschaftliche Bande zu pflegen und mehrsprachig zu leben. Diamond will damit nicht für einen „Schritt zurück zur Stammesgesellschaft“ werben, sondern dafür, das eigene Verhalten kritisch zu überdenken und alte Werte wiederzuentdecken.

Manche Tradition ist zum Glück verschwunden

Wer nun einwendet, das sei alles nicht neu: Das Werk des Universalgelehrten leistet etwas ganz anderes. Es hält fest, was nur noch einen Wimpernschlag lang zu existieren scheint, etwas, das man bewahren möchte und doch nicht kann: den Einblick in eine traditionelle Welt, die sich unumkehrbar an die moderne Welt anpasst. Bei mancher Tradition ist man als Leser froh, dass sie zur Geschichte zählt: beispielsweise die aus westlicher Sicht grausamen Säuglingstötungen und Witwenmorde sowie das Aussetzen von Kranken. Diamond bringt die Beschreibungen ohne Wertung zu Papier. Ein Kapitel widmet er den alten Menschen in den traditionellen Gesellschaften. Und es scheint, als ob „Vermächtnis“ auch zu seinem eigenen geworden ist.

Diamond wäre aber nicht Diamond, wenn er nicht schon am nächsten Werk sitzen würde. Es soll ein Buch über die Vermischung alter und neuer Kulturen werden. Nach Neuguinea will er weiterhin reisen. „Das mache ich, bis ich entweder tot oder lahm bin“, sagt er. Die realen Gefahren lägen für ihn heute – statistisch betrachtet – auch nicht mehr im Dschungel Neuguineas. „Zu den größten Risiken meines jetzigen Lebens gehört das Ausrutschen in der Dusche.“ Bedächtig könnte man seine Schritte beschreiben, mit denen er am Münchner Hauptbahnhof davongeht.