Neonikotinoide töten Schadinsekten ab, aber sind auch für Wild- und Honigbienen sowie andere nützliche Insekten extrem schädlich. Nach einem Teilverbot dieser hochwirksamen Giftstoffe prüft die EU-Kommission nun ein umfassenden Freilandverbot für drei Substanzen.

Brüssel/Stuttgart - Am Freitag (27. April) soll in Brüssel über ein Freilandverbot für einige extrem bienenschädliche Insektengifte entschieden werden. Deutschland hat bereits angekündigt, in dem zuständigen EU-Ausschuss dafür zu stimmen, dass drei der sogenannten Neonikotinoide nur noch in Gewächshäusern und nicht mehr auf Äckern eingesetzt werden dürfen.

 

Neonikotinoid-Insektizide können Untersuchungen zufolge das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit von Wild- und Honigbienen beeinträchtigen, sie lähmen und sogar töten. Ohne die bestäubenden Insekten seien dramatische Folgen für die Landwirtschaft zu befürchten, vor allem für den Obstbau, sagen Umweltschützer und viele andere Fachleute.

Großes Bienensterben

Die Schädlingsbekämpfungsmittel waren lange ein Verkaufsschlager, bis sich 2008 etwas Verheerendes ereignete: Im baden-württembergischen Rheintal starben massenhaft Bienen, rund 11 500 Völker wurden vernichtet. Als Ursache stellte sich gebeizter Mais heraus. Das Saatgut war mit einer sehr hohen Dosis eines Neonikotinoids behandelt worden. Da das Insektizid nicht sachgerecht verwendet wurde, entstand beim Ausbringen eine Staubwolke aus Insektengift, die sich überall verteilte.

Auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner erklärte: „Was der Biene schadet, muss weg vom Markt.“ Die CDU-Politikerin ist für ein Freilandverbot und hat ein Ja Deutschlands bei der Abstimmung angekündigt. Erforderlich ist in dem mit Experten besetzten EU-Ausschuss eine Mehrheit von mindestens 16 EU-Staaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Forscher: Neonikotinoide schaden Nutzinsekten

In der Wissenschaft mehren sich seit Jahren Hinweise, dass Neonikotinoide auch die Gesundheit von nützlichen Insekten beeinträchtigen. Die synthetisch hergestellten Mittel werden häufig als Saatgutbeizmittel eingesetzt, beim Wachsen verteilt sich das Gift dann in der Pflanze bis in Pollen und Nektar. So können auch Bienen und Hummeln die Stoffe als Kontakt- und Fressgift aufnehmen. Allein in Deutschland wurden im 2015 mehr als 200 Tonnen reiner Wirkstoff an Landwirte abgegeben.

Schweizer Forscher zeigten 2016 in einer Studie, dass bestimmte Varianten dieser Wirkstoffe die Fruchtbarkeit männlicher Honigbienen verringern und deren Lebensspanne senken. Eine andere Studie befand, dass Bienen die mit den Stoffen behandelten Pflanzen nicht etwa meiden, sondern sie sogar bevorzugt ansteuern.

Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa nahm die Insektengifte unter die Lupe. Nach einem Efsa-Gutachten von 2013 zu den Risiken der drei Stoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid trat bereits ein Teilverbot für die Substanzen in Kraft, das etwa die Anwendung bei Freilandblühern untersagt. Es gibt aber bisher viele Sondergenehmigungen.

„5000-mal giftiger als das Supergift DDT“

Nach Aussage von Manfred Hederer, Präsident des Deutschen Berufs- und Erwerbs-Imkerbundes sind diese Mittel „für Bienen 5000-mal giftiger als das Supergift DDT“. Der BUND resümiert: „Die Hinweise verdichten sich, dass der Einsatz hochwirksamer und bienengefährlicher Neonicotinoide eine entscheidende Rolle in dieser katastrophalen Entwicklung spielt.“

Hederer, der 4500 Berufsimker vertritt, fordert ein generelles Verbot der Gifte. „Jedesmal wenn ein neuer Wirkstoff kam, ging die Anzahl der Bienenvölker zurück. Neonicotinoide kommen überall vor. Die Belastung der Umwelt wird immer größer.“

Bauernverband gegen ein Verbot

Im Februar 2018 bestätigte die Efsa in einem Bericht die Gefahren für Bienen und Hummeln: „Die Mehrzahl der Anwendungen von Neonikotinoid-haltigen Pestiziden stellt ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar“, hieß es darin. Die ursprünglich schon für Dezember angedachte Abstimmung der EU-Länder war bis zur Veröffentlichung dieses Gutachtens verschoben worden.

Der Deutsche Bauernverband ist gegen ein umfassendes Freilandverbot. „Dies darf aber beispielsweise nicht auf nicht-blühende Kulturen wie Zuckerrüben ausgedehnt werden“, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Es sei eine „eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln und neue Produkte schnell zur Zulassung zu bringen.“ Ohne Pflanzenschutzmittel könne man weder in der ökologischen noch in der konventionellen Landwirtschaft Qualität und Erträge garantieren.