EU-Aufbauprogramm Grüne sorgen sich um Green Deal

Besetzter Bagger im Braunkohlerevier Garzweiler bei Düsseldorf. Foto: dpa/David Young

Die Christdemokraten im Europa-Parlament stellen den Umbau der Volkswirtschaft unter den Vorbehalt der Coronakrise. Das gefällt den Grünen nicht. Sie sehen gerade jetzt die Chance, beim Klimaschutz aufs Tempo zu drücken.

Brüssel - Die Grünen befürchten, dass der Umbau der EU-Volkswirtschaft – der so genannte Green Deal – im Zeichen der Coronakrise unter die Räder kommt. In einem offenen Brief, der an diesem Mittwoch veröffentlicht wird und unserer Redaktion vorliegt, fordern acht hochrangige Grünen-Politiker aus Brüssel und Berlin die Bundesregierung auf, den Klimaschutz in den Mittelpunkt der EU-Ratspräsidentschaft zu rücken. „Der Weg aus der Coronakrise muss auch der Weg aus der Klimakrise sein“, heißt es in dem Brief. Unterschrieben haben unter anderen der Chef der deutschen Europa-Grünen Sven Giegold, der Stuttgarter Klimaexperte Michael Bloss und Anton Hofreiter, Fraktionschef im Bundestag.

 

Sie wollen, dass sich die EU verpflichtet, bis 65 Prozent des CO2-Ausstoßes bis 2030 zu reduzieren. Bislang peilt die EU eine Verringerung um 40 Prozent an. Die EU-Kommission will im Herbst entscheiden, ob sie für 2030 die Marke 50 oder 55 Prozent anstrebt.

Die Grünen fordern, dass alle Ausgaben auf Klimarelevanz hin überprüft werden und aus dem mindestens eine halbe Billiarde Euro schweren Konjunkturpaket „jeder zweite Euro in den Klimaschutz fließt“. Es dürfe kein Geld mehr für fossile Energie und Atomenergie ausgegeben werden. Parlament und Mitgliedstaaten müssen sich demnächst auf den mehrjährigen Finanzrahmen von 2021 bis 2027 und den Wiederaufbaufonds einigen. Die Grünen fordern zudem, die Gemeinsame Agrarpolitik an den Green Deal anzupassen: „Wir wollen Qualität statt Fläche fördern.“ Es müssten „ambitionierte Reduktionsziele für Pestizide, Dünger sowie Vorgaben für eine artgerechte Tierhaltung“ kommen.

Offener Brief aus Brüssel und Berlin

Mit ihrem Brief reagieren die Grünen auf eine Ankündigung von Manfred Weber (EVP/CSU). Der Chef der größten Fraktion im Europa-Parlament hatte gegenüber der Funke-Mediengruppe die Zustimmung der Christdemokraten zu Vorhaben im Zusammenhang mit dem Green Deal unter Vorbehalt gestellt. „Wir müssen erst einmal schauen, wie es der europäischen Wirtschaft geht und welche neuen Klimaauflagen sie verkraften kann“, sagte er. Die Wirtschaft befinde sich im freien Fall. Den Green Deal „einfach umzusetzen, als wäre nichts geschehen, wäre Gesetzgebung im Blindflug“. Man müsse die Industrie stabilisieren, bevor man sie in eine klimaneutrale Zukunft überführt.

Auch Norbert Lins (CDU), Chef des Agrarausschusses im Europa-Parlament, äußert Zweifel. Wenn der Green Deal gut gemacht sei, könne es ein guter Deal für die Industrie werden. „Im Moment ist er aber eine gigantische Herausforderung und leider nicht finanzierbar“, sagt der Pfullendorfer Abgeordnete. Es hapere zudem an der Folgenabschätzung. Die Auswirkungen der Coronakrise auf die Ernährungssicherheit seien noch nicht absehbar. Auch der Wirtschaftsexperte Markus Pieper (CDU) hat Bedenken. „Wir bekennen uns zum Klimaschutz. Es muss aber klar sein, dass das CO2-Minderungsziel bis 2030 den Wert von 50 Prozent nicht übersteigt“, sagte er. Grüne und Liberale hätten „völlig falsche Vorstellungen“, wenn sie von 65 Prozent und mehr sprechen.

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