Die EU zögert mit weiteren Sanktionen gegen Russland. Dabei liegen die Vorschläge dafür auf dem Tisch. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine aber auf jeden Fall ab.

Brüssel - Mit „eindringlichen Worten“, so Kanzlerin Angela Merkel, habe der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel in Brüssel die Lage in seinem Land beschrieben. Poroschenko hatte schon zuvor von „tausenden regulären russischen Soldaten“ und „hunderten russischen Panzern“ in seinem Land gesprochen. Aber die neuerliche Eskalation des Konflikts durch Russlands Präsident Wladimir Putin bleibt zunächst ohne weitere Konsequenzen. Die EU will erst bis in einer Woche über schärfe Sanktionen gegen Russland entscheiden, beschlossen die Staats- und Regierungschefs.

 

Von einer „breiten Diskussion“ im Kreis der Staat- und Regierungschefs sprach Angela Merkel und auch davon, dass die EU-Kommission Vorschläge für weitere Sanktionen erarbeiten soll, von weiteren drastischen Einschränkungen für russische Unternehmen auf dem europäischen Weg ist die Rede, bis hin zum Abschneiden vom internationalen Bankdatenverkehr Swift. Die Vorarbeiten der Kommission gehören zum normalen Prozedere der Brüsseler Beschlussfassung. Allerdings hatte der scheidende Kommissionspräsident José Manuel Barroso schon am Morgen nach einem Treffen mit Poroschenko erklärt, dass die Vorschläge auf dem Tisch lägen. Barroso schränkte aber auch ein: „Sanktionen sind kein Mittel an sich.“

Merkel: Keine militärische Lösung des Konflikts

Im März hatten die EU-Staaten in der Ukraine-Krise abgestufte Restriktionen gegen Russland beschlossen, nach dem Abschuss des Verkehrsflugzeugs MH17 erfolgten erstmals breite Wirtschaftsrestriktionen. Sanktionen aber brauchen Zeit, die gönnt Putin weder der Ukraine noch der EU. „Ich kann die Intention des russischen Präsidenten nicht einschätzen“, gestand Merkel. Putin folge seiner eigenen Logik der Macht. Klar sei nur: „Eine militärische Lösung des Konflikts kann es nicht geben“, so Merkel. Die Kanzlerin ist deshalb auch gegen eine direkte Lieferung von Waffen an die Ukraine, wie sie auf dem Gipfel Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite und zuvor schon der ukrainische Präsident bei Ronald Tusk gefordert hatte. „Es herrscht Krieg“, sagte Grybauskaite. „Russland ist im Krieg mit einem Land auf dem Weg nach Europa. Das bedeutet praktisch: Russland ist im Krieg mit der EU“, so Grybauskaite.

Die Ukraine sucht nach Sicherheit

Merkel verliert allmählich die Geduld mit Putin. Nicht alle möchten ihr aber auf dem Weg zu weiteren Sanktionen folgen. Kritische Stimmen auf dem Gipfel kamen nicht nur wie üblich aus Ungarn und der Slowakei. Auch der finnische Ministerpräsident Alexander Stubb kalkuliert die Kosten. „Wenn Russland seine Destabilisierungsanstrengungen fortsetzt, ist es richtig, die Sanktionen zu verschärfen, aber ich hoffe, dass das nicht geschieht“, sagte Stubb auch mit Blick auf den wichtigen Handelspartner seines Landes.

Europa verordnet sich also eine Denkpause. Die Ukraine aber sucht nach Sicherheit. Regierungschef Arsenij Jazenjuk kündigte an, sein Land werde einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Nato stellen. „Ein Beitritt ist möglich“, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, „wenn die Ukraine die Voraussetzungen erfüllt“. Die Nato-Frage wurde auf dem Gipfel nicht erörtert. „Das steht diese Woche auf dem Nato-Treffen in Wales an“, sagte Poroschenko. Sein Land steht vor einem schwierigen Winter – sicherheitspolitisch und wirtschaftlich. Die EU sagte eine weitere Milliarde Euro Wirtschaftshilfe zu und will im Gasstreit mit Russland weiter vermitteln.