Die Bundesregierung kritisiert, die Rechtsgrundlage für den neuen Abwicklungsmechanismus sei zu dünn. Im Pleitefall sollen auch Sparguthaben über 100 000 Euro eingezogen werden, um die Steuerzahler zu entlasten.

Dublin - Es ist kein Geheimnis, dass Wolfgang Schäuble die Beschlüsse der europäischen Staats- und Regierungschefs zur Bankenunion nicht gefallen: Beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Dublin hat er am Samstag erneut versucht, deren Umsetzung zwar nicht zu verhindern, aber doch deutlich zu verlangsamen. Schäuble forderte eine Änderung der EU-Verträge, um den geplanten neuen europäischen Abwicklungsmechanismus für marode Banken zu schaffen: „Die bestehende Rechtsgrundlage ist sehr dünn.“ Die EU-Kommission, in Europa neben dem Luxemburger Gerichtshof die Hüterin der Verträge, widersprach dem Deutschen allerdings umgehend. „Eine Abwicklungsbehörde kann auf Basis der existierenden Verträge geschaffen werden“, sagte der zuständige Kommissar Michel Barnier.

 

Die neue Behörde soll als Gegenpart zur neuen gemeinsamen Aufsicht weit reichende Kompetenzen bekommen. So würde sie – falls ein europäisch überwachtes Geldinstitut dem Bankrott entgegengeht – mit darüber entscheiden, wer zu welchen Teilen die Kosten trägt. Ziel ist, dass nicht mehr die Steuerzahler die Hauptlast der Finanzkrise schultern müssen. Schäuble sprach in Dublin von einer „Haftungskaskade“. Es müsse wieder klar werden, dass „wer etwas investiert, auch Geld verlieren kann“. EU-Diplomaten zufolge herrscht unter den Ministern „weit gehender Konsens über diese Reihenfolge“. Sie soll in einem entsprechenden Gesetz festgeschrieben werden, das Währungs- und Binnenmarktkommissar Barnier im Juni auf Geheiß der Staats- und Regierungschefs vorschlagen will.

Die Steuerzahler sollen geschont werden

Der Franzose plädiert dafür, dass zuerst alle Eigentümer belangt werden. In einem zweiten Schritt würden einem Kommissionspapier zufolge zuerst nachrangige und dann bevorzugte Gläubiger des Instituts auf Geld verzichten müssen. Falls die Pleite noch teurer ist, würden in einer dritten Etappe – und diese zieht nach den Ereignissen während der aktuellen Zypernkrise besonders viel Aufmerksamkeit auf sich – auch die Einlagen von Kunden herangezogen.

Bundesbankchef Jens Weidmann forderte: „Die Einlagen dürfen erst ganz am Schluss kommen.“ Barnier betonte jedoch ausdrücklich, dass „Kredite zwischen Banken und Sparguthaben unter 100 000 Euro immer ausgenommen sein werden“. Schäuble versicherte: „Im Abwicklungsfall gilt die Einlagensicherung.“ Erst nach den „reicheren“ Anlegern kämen nationale Fonds und am Ende der Euro-Rettungsschirm ESM ins Spiel. „Wir müssen Investoren auf der ganzen Welt klarmachen, wie die Hackordnung aussieht“, sagte Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, „und es wäre besser, diese Hackordnung 2015 statt erst 2018 zu haben.“ Er betonte, dass es „alle Elemente der Bankenunion“ brauche, um die Kreditklemme in der Europäischen Union zu überwinden. Schäuble wiederum stellte klarer als bisher fest, dass es einen gemeinsamen Einlagensicherungsfonds mit ihm nicht geben werde. Beim „Zustand, in dem sich Europa heute befindet“, handele es sich dabei um ein „Übermaß“ an Haftungsrisiken.

Die Einlagensicherung wird angepasst

Weiter als eine Anpassung der nationalen Einlagensicherungsregeln, die die irische Ratspräsidentschaft bis zum Sommer mit dem Europaparlament fertig verhandeln will, mag Schäuble nicht gehen. Eine Gefahr, dass mit den künftigen Regeln Anleger erst recht ihr Geld aus Europa abziehen, wollte niemand in Dublin heraufbeschwören. Gleichzeitig trieb die Gemeinschaft ihre Pläne voran, Anlagen im Ausland zu extrem günstigen Konditionen zu erschweren. Nach dem Vorpreschen der sechs größten EU-Staaten, um einen automatischen Informationsaustausch hinsichtlich potenzieller Steuerhinterzieher nicht nur innerhalb Europas, sondern auch mit Drittstaaten wie der Schweiz oder den USA zu erreichen, sagte EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta, er rechne mit einer Verabschiedung der wichtigen Zinsbesteuerungsrichtlinie „in den kommenden Wochen“. Schäubles Forderung, die Richtlinie auf „alle Kapitaleinkünfte“ auszuweiten, könne ebenfalls mit den Vorschlägen der Brüsseler Kommission erreicht werden: „Wenn wir auch die Richtlinie zur besseren Kooperation der Behörden verabschieden“, so Semeta, „haben wir schon eine Art Steuer-FBI.“

Voraussichtlich am Donnerstag wird der Bundestag über das Hilfspaket für Zypern abstimmen. Eine Mehrheit hierfür gilt – trotz massiver Kritik – als sicher.