Trotz aller weichen und harten Dementis wird über sogenannte Kredithebel beraten. Die Europäische Zentralbank ist skeptisch.

Brüssel - Die Demonstranten vor dem Berliner Reichstag haben am Donnerstag, als die Bundestagsabgeordneten drinnen der Aufstockung und Kompetenzerweiterung des Eurorettungsschirms EFSF zustimmten, eine neue Interpretation dieser Abkürzung geliefert. Statt dem Wortungetüm "Europäische Finanzstabilisierungsfazilität" war auf den Transparenten "Europäischer Finanzierungs-Selbstmord-Fonds" zu lesen.

 

Ob die Protestierer recht haben, kann derzeit niemand seriöserweise sagen. Klar aber ist, dass das finanzielle Risiko gestiegen ist und möglicherweise noch weiter steigen könnte. Kurz nach der Berliner Abstimmung ist nämlich bereits klar, dass erneut etwas im Busch ist. So hatte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am Mittwoch bestätigt, dass seine Brüsseler Behörde an Vorschlägen arbeitet, um "den finanziellen Rahmen so effizient wie möglich zu nutzen". Dies steht einem EU-Diplomaten zufolge auch auf der Tagesordnung der 17 Finanzminister der Eurozone, die sich Montagabend in Luxemburg treffen.

Im Kern geht es um einen sogenannten Hebel, um möglicherweise noch mehr Geld für die Eurorettung zur Verfügung zu haben, als dies mit dem bereits aufgestockten Rettungsschirm möglich wäre. Die US-Regierung hat im Zuge der Finanzkrise eine ähnliche Methode angewandt und drängte die Europäer erstmals beim EU-Finanzministertreffen in Breslau vor zwei Wochen und schließlich bei der Washingtoner IWF-Herbsttagung vor einer Woche erneut, es ihnen gleichzutun.

Bankenlösung ist verforfen

Vereinfacht gesagt geht es um dasselbe Prinzip, das auch Hedgefonds anwenden und das die Finanzkrise mitverursacht hat: Man leiht sich Geld und setzt dieses anschließend als Sicherheit ein, um ein Vielfaches dessen zu leihen. Mit den 780 Milliarden Euro, die die Eurostaaten garantieren werden, wenn alle 17 Länder den EFSF-Rahmenvertrag ratifizieren, ließen sich demnach mehrere Billionen Euro aufnehmen, um für den Fall gewappnet zu sein, dass nach Griechenland, Irland und Portugal die viel größeren Eurostaaten Spanien und Italien Probleme bekommen.

Die Finanzminister setzen am Montag dafür ihre Arbeit an den konkreten Ausführungsbestimmungen fort. Auf Englisch ist von "Guidelines" die Rede. Gemeint ist damit eine Art Satzung des EFSF, die alles regelt, was der Rahmenvertrag nicht genau definiert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat zugesichert, dass der Bundestag zustimmen muss, sollte ein Kredithebel eingesetzt werden.

Verworfen ist bereits die sogenannte Bankenlösung, weil die Europäische Zentralbank (EZB) dabei nicht mitspielt. Mit einer Banklizenz hätte die vom deutschen Klaus Regling geleitete Rettungsschirm-Gesellschaft in Luxemburg Staatsanleihen von Krisenstaaten aufkaufen können, um den Druck der Finanzmärkte auf diese Länder zu verringern. Die Papiere hätten bei der EZB als Sicherheit für neue Kredite hinterlegt werden können, mit denen dann weitere Staatsanleihen erworben würden - ein schier unbegrenzter Geldfluss. Die EZB lehnte ab, weil dieses Modell einer monetären Staatsfinanzierung ganz nahe kommt.

Die EZB ist skeptisch

Die zweite Variante - eine Versicherungslösung - ist dem Vernehmen nach noch im Spiel. Der Rettungsfonds würde dabei nicht selbst Staatsanleihen kaufen, sondern kaufen lassen - etwa von der Zentralbank oder auch von Privatbanken oder einer neuen Instanz, die dafür gegründet werden müsste. Mit dem Geld, über das der Rettungsschirm verfügt, würden dann "nur" die Verluste abgesichert.

Ein Beispiel: würden die Finanzmärkte das Ausfallrisiko einer spanischen Anleihe mit zehn Prozent bewerten, müsste der Fonds bei einem Aufkaufvolumen von 100 Milliarden Euro selbst nur zehn Milliarden Euro aufbringen - und hätte damit einen Hebel mit dem Faktor zehn. Wie am Freitag aus mit den Verhandlungen betrauten Kreisen zu hören war, verweigert sich die EZB auch diesem Modell. Es ist deshalb denkbar, dass die Finanzminister am Montag über eine andere Institution sprechen oder eine ganz neue Variante finden.

Ein EU-Diplomat sagte am Freitag, dass am Montag keine Beschlüsse erwartet werden. Die Ratifizierung der EFSF in allen 17 Eurostaaten soll abgewartet werden. Allein die Debatte freilich ist schon brisant genug.