In Brüssel wird ein Gesetzesvorschlag unterbreitet: Trotz des Protests von Großbritannien soll europaweit eine Transaktionssteuer her.

Brüssel - Nach langem Zögern wird die EU-Kommission auf ihrer Sitzung am Dienstag beschließen, einen Gesetzesvorschlag zur europaweiten Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu unterbreiten. Dies soll am  Mittwoch geschehen, wenn Kommissionschef José Manuel Barroso im Straßburger Europaparlament eine Rede zur Lage der Europäischen Union hält. Dies war am Montag in Brüssel aus mit dem Vorgang vertrauten Kreisen zu hören.

 

Die Brüsseler Behörde erwartet durch die Steuer Einnahmen von 30 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr, wie Steuerkommissar Algirdas Semeta bereits im Sommer vorgerechnet hatte. Entgegen ersten Überlegungen soll die Abgabe nun nicht erst im Jahr 2018, sondern bereits 2014 verpflichtend werden - zu Beginn der nächsten siebenjährigen EU-Haushaltsperiode.

Barrosos Gremium will die Mittel aus der Finanztransaktionssteuer eigentlich dem europäischen Etat zufließen lassen, hat aber nach massiver Kritik auch aus Deutschland davon Abstand genommen, dies in dem neuen Richtlinienentwurf explizit vorzusehen. Stattdessen soll es eine eigene Regelung zur Verwendung des Gelds geben, wie es im Entwurf des Gesetzestextes heißt, der der Stuttgarter Zeitung vorliegt.

Die Transaktionssteuer ist umstritten genug

Die Einführung der Transaktionssteuer selbst, die Einnahmen bringen, aber auch kurzfristige Spekulationen mit geringen Gewinnmargen erschweren soll, ist schon umstritten genug. Die britische Regierung, die die Interessen des Finanzplatzes London vertritt, hat bereits mehrfach ihre ablehnende Haltung deutlich gemacht.

Sie befürchtet eine Abwanderung wichtiger Marktteilnehmer auf Finanzplätze außerhalb der EU. Um London entgegenzukommen schlägt Brüssel vor, dass nicht alle Geschäfte an europäischen Finanzplätzen, sondern alle Geschäfte weltweit unter Beteiligung mindestens eines europäischen Partners besteuert werden. Steuergesetze bedürfen in Europa der Einstimmigkeit.

Die Bandbreite der Finanzprodukte, die die EU-Kommission gerne von der Steuer erfasst sähe, ist groß. So sollen nicht nur Börsengeschäfte, sondern auch außerbörsliche Transaktionen darunterfallen. Dies betrifft vor allem Derivate, also Papiere, mit denen auf künftige Preisentwicklungen von Aktien, Staatsanleihen oder Rohstoffen gewettet wird. Sie werden oft direkt zwischen Parteien und nicht über die Börsen gehandelt. Bei den Derivaten soll der Steuersatz 0,01 Prozent der Verkaufssumme betragen, bei allen "normalen" Transaktionen sollen es 0,1 Prozent sein.

Alltägliche Fiananzaktivitäten sind nicht betroffen

Ausgenommen bleibt der direkte Handel mit Staatsanleihen, die im Zentrum der aktuellen Schuldenkrise stehen - damit verbundene Spekulationspapiere wie Kreditausfallversicherungen wären dagegen steuerpflichtig. Im Entwurf des Gesetzestextes heißt es zudem, dass "die meisten alltäglichen Finanzaktivitäten von Bürgern und Unternehmen nicht unter die Finanztransaktionsbesteuerung fallen". Auf Kredite, Baudarlehen, Versicherungsverträge oder normale Kontobewegungen entfiele die Abgabe also nicht. Wiederum gilt, dass Finanzpapiere, die Banken aus solchen Verbraucherrisiken stricken, besteuert werden.

"Der ganz große Batzen ist damit abgedeckt", urteilt der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold: "Die EU-Kommission legt endlich einen starken Entwurf vor. Deutschland und Frankreich müssen sich nun mit aller Kraft dafür einsetzen, dass so viele Staaten wie möglich mitziehen."

Den Gegnern der Steuer wird dabei in die Hände spielen, dass auch Brüssel in der Folgenabschätzung zu einer unvorteilhaften Aussage kommt: "Ein kleiner Negativeffekt auf Bruttoinlandsprodukt und Arbeitslosigkeit kann nicht vermieden werden, da sie mit den höheren Kapitalbeschaffungskosten in Verbindung stehen." Andererseits jedoch entstünden hohe Einnahmen, und die Steuer könne "direkt darauf abzielen, das Marktverhalten zu beeinflussen".