Kanzler Scholz hat die Blockade der Bundesregierung in Sachen Verbrenner-Aus verteidigt. Er sieht den Ball im Feld der EU-Kommission.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Zwischen den Staats- und Regierungschefs wandelte am Donnerstag ein mächtiger, weißer Elefant umher. Jeder Politiker, der das Ratsgebäude in Brüssel über den roten Teppich betrat, konnte ihn sehen, versuchte aber angestrengt, seinen Anblick nicht zu erwähnen. Und wurde einer der Ankommenden von den Journalisten darauf angesprochen, reagierte er bissig.

 

„Es ist ja kein Wunschkonzert, wenn wir nach Brüssel kommen“, bellte Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel in ein Mikrofon. Man könne über alles reden, aber das Thema stehe eigentlich nicht auf der Agenda, schob er unwirsch nach. Die Debatte, die auf dem EU-Ratsgipfel niemand führen wollte und die doch allgegenwärtig war, drehte sich um das geplante Aus für neue Verbrenner-Autos – und vor allem um die Rolle Deutschlands in der Geschichte.

Das Abkommen war bereits ausgehandelt

Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits darauf geeinigt, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen in der EU zugelassen werden dürfen. Der Beschluss sollte als großer Erfolg der Europäischen Union im Kampf gegen den Klimawandel gefeiert werden, als sich Anfang März plötzlich Deutschland zu Wort meldete. Die Bundesregierung stellte Nachforderungen und verhinderte so die endgültige Bestätigung des Deals durch die EU-Staaten. Getrieben von der FDP im Bund dringt Berlin nun darauf, dass auch nach 2035 noch Neuwagen mit Verbrennermotor zugelassen werden dürfen, die klimaneutrale E-Fuels tanken. Darunter versteht man mit Ökostrom erzeugte künstliche Kraftstoffe.

Der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins äußerte seine Sorge, dass das deutsche Verhalten negative Auswirkungen auf die gesamte Europäische Union haben könnte. „Das ist ein sehr, sehr schwieriges Zeichen für die Zukunft“, sagte er am Rande des EU-Gipfels. Es sei verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbarung getroffen worden sei. „Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung würde auseinanderfallen, wenn wir das alle tun würden“, gab Karins zu bedenken. Und er stellte die Frage, was andere Staaten nun aufhalten solle, das Gleiche wie Deutschland zu tun. Der lettische Ministerpräsident mahnte: „Ich denke, wenn wir eine Einigung erzielt haben, sollten wir uns an diese Vereinbarung halten.“

Scholz sieht die EU-Kommission am Zuge

Das sieht auch Bundeskanzler Olaf Scholz so. „Es ist immer richtig, sich an die eigenen Zusagen zu halten“, sagte der Regierungschef in Brüssel. Er betonte allerdings, dass Deutschland in Sachen Verbrenner-Aus seine Versprechen zu keiner Zeit gebrochen habe. Er sieht den Ball eher im Feld der EU-Kommission. „Es geht jetzt eigentlich nur noch ganz pragmatisch darum, den richtigen Weg zu finden, die von der Kommission ja längst gegebene Zusage umzusetzen“, sagte Scholz. Es gebe „eine klare Verständigung in Europa“ zu den Verbrenner-Autos, unterstrich er. Dazu gehöre, dass die Behörde von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Regelung vorschlage, „die sicherstellt, dass nach 2035 Fahrzeuge, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden, weiter zugelassen werden können“. Tatsächlich ist der Prüfauftrag bereits in dem Gesetz enthalten. Allerdings sieht er keine Frist vor, innerhalb derer sich die EU-Kommission dazu äußern soll.

Eine deutliche Rüge für Berlin aus Straßburg

Viele der Staats- und Regierungschefs konterten Fragen nach dem Verbrenner-Aus mit der Bemerkung, man müsse sich in diesem hochrangigen Zirkel über wichtigere Themen wie etwa die Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine oder auch den Kampf gegen den Klimawandel unterhalten.

Mitten in das kollektive Ignorieren des Themas Verbrenner-Aus in Brüssel platzte dann ein offener Brief aus Straßburg. Darin forderte eine offensichtlich genervte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola Deutschland auf, die Regel wie beschlossen „ohne weitere Verzögerung“ anzunehmen. Auch die Politikerin warnte mit Nachdruck davor, dass das Verhalten Deutschlands die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union untergraben könnte.