Eigentlich stand das Thema gar nicht auf der Tagesordnung beim EU-Gipfel. Die Überschuldung Italiens und die damit verbundenen Risiken für Europa wurden jedoch zum Gesprächsthema der Regierungschefs.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Mit leeren Händen fährt die britische Premierministerin Theresa May zurück auf die Insel. Sie hatte keine zündende Idee im Köcher, als sie beim EU-Gipfel über den Brexit sprach. Die Atmosphäre dabei soll zwar etwas besser gewesen sein als vor vier Wochen beim informellen Gipfel in Salzburg. Doch als die 27 anderen Staats- und Regierungschefs anschließend ohne die Britin zum Abendessen gingen und sich von Michel Barnier, dem Chefunterhändler der EU briefen ließen, waren sie sich schnell einig: Es reicht nicht.

 

Das Thema Brexit war schnell abgehackt

Der Bedarf der „Chefs“, sich auszutauschen, war diesmal ungewöhnlich gering. Bereits um 22.30 Uhr, meist gehen die Runden bis weit nach Mitternacht, waren die Beratungen beendet. Es blieb Zeit für ein Bier auf dem prächtigsten Platz in Brüssel: Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel, der sich nach den Wahlen am Sonntag Hoffnung auf eine weitere Amtszeit machen kann, schmiss auf der Grand‘ Place eine Runde für Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Belgiens Regierungschef Michel. Sehr zur Freude von Touristen, die zu dieser späten Stunde noch unterwegs waren.

Am Donnerstag ging es mit einem Thema weiter, bei dem die Staats- und Regierungschefs seit Jahren auf der Stelle treten. Sie finden keine Einigung bei der Frage, wie bei der nächsten Flüchtlingskrise eine hohe Zahl von Zuwanderern fairer auf alle Mitgliedstaaten zu verteilen ist. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat erneut den Vorschlag gemacht, dass sich Mitgliedstaaten wie Polen, Ungarn und andere, die partout keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, frei kaufen können. Er nennt dieses Konzept „verpflichtende Solidarität“. Merkel ist vehement dagegen: „Damit machen wir es uns zu einfach.“ Wenn am Ende alle Geld für Afrika gäben, stünden Italien und die anderen Zielländer der illegalen Migration immer noch allein bei der Bewältigung der Aufgaben da.

Es zeichnet sich ab: Das Ziel der EU, bis Weihnachten einig zu sein, ist nicht zu schaffen. Beim Juni-Gipfel hatte die EU noch große Hoffnung auf die „Ausschiffungsplattformen“ auf Nicht-EU-Territorium gesetzt, wo vor der Einreise in die EU die Chancen von Zuwanderern auf politisches Asyl abgeklopft werden sollen. Diesmal taucht das Wort im Gipfel-Dokument gar nicht mehr auf. Da wird vielmehr nur noch vage die „Bedeutung“ hervorgehoben, „weiterhin die illegale Migration zu verhindern und dafür die Kooperation mit Herkunfts- und Transitländern zu intensivieren“.

Das Thema Italien kam ungeplant auf die Agenda der Regierungschefs

Das Treffen wurde von einem Thema überschattet, das offiziell gar nicht auf der Agenda stand. Das von Rechts- und Linkspopulisten regierte Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft in der Euro-Zone, wird zunehmend zum Sorgenkind Europas. Die Regierung des Landes, das nach Griechenland im Verhältnis die zweithöchste Staatsverschuldung in der EU hat, will noch tiefer in die roten Zahlen gehen. Der Entwurf für den Haushalt für 2019 bricht mit dem Versprechen, die Neuverschuldung abzubauen, und verletzt fundamental die Regeln zur nachhaltigen Fiskalpolitik, auf die sich die 28 Mitgliedstaaten geeinigt haben.

Der Rest der EU ist hochgradig alarmiert, weil Italien mit seiner wirtschaftlichen Größe die Euro-Zone in den Abgrund reißen kann. Die Warnungen am Rande des Gipfels fielen deutlich aus. Kurz sagte: „Jede Überschuldung halte ich für gefährlich.“ Merkel traf sich mit dem italienischen Regierungschef Guiseppe Conte zu einem Vier-Augen-Gespräch und wird unmissverständliche Worte gefunden haben. Öffentlich sagte sie indes nur, dass jetzt die EU-Kommission der Ansprechpartner Italiens ist: „Ich hoffe, dass der Dialog zu einem guten Ergebnis führt.“ Conte selbst erklärte, er rechne zwar mit Widerstand der Kommission gegen die italienischen Haushaltspläne, doch seine Regierung werde das aushalten.

Matteo Salvini könnte zum Zerstörer der EU werden

Der eigentliche Wortführer in der italienischen Politik ist Vize-Regierungschef Matteo Salvini. Er machte unterdessen deutlich, wie wenig er von der EU hält: Der Chef der rechtsextremen Lega reiste nach Moskau und erklärte, dass er sich dort wohler fühle als in manchen europäischen Ländern. Außerdem ließ er verbreiten, womöglich als Kandidat von Rechtsaußen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker anzutreten. Da läuft sich jemand warm, der die EU zerstören möchte.