Es scheint so, als gehe der Kanzlerin die Geduld mit dem russischen Präsidenten aus. Sie wirft ihm ein unmenschliches Vorgehen vor und verlangt von der EU, Haltung zu zeigen.

Brüssel - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre öffentliche Kritik an der blutigen Syrien-Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin weiter verschärft. Zwar sei der gegenwärtige Waffenstillstand erfreulich und man wolle alles daran setzen, dass er fortgesetzt werde, sagte Merkel am frühen Freitagmorgen zum Abschluss des ersten Tages des Brüsseler EU-Gipfels. „Auf der anderen Seite sehen wir, dass die Machtoptionen, auch das Selbstverständnis Russlands im Augenblick nicht darauf ausgerichtet ist, Partnerschaft zu haben, sondern eher auch den eigenen Einflussbereich auszudehnen.“

 

Auf die Frage, welche Schwelle sie für neue Sanktionen gegen Moskau wegen der Militäraktionen Russlands in Syrien sehe, antwortete die Kanzlerin: Wenn die Luftangriffe auf die nordsyrische Stadt Aleppo in der bisherigen Intensität fortgesetzt würden, „dann ist das schon ein Grund, sich zu überlegen, was tun wir jetzt“. Über Fristen sei in Brüssel nicht diskutiert worden, sagte sie zugleich.

Schnellstmöglich an dauerhaftem Waffenstillstand arbeiten

Merkel hatte am Mittwochabend gut sechs Stunden lang zusammen mit dem französischen Präsidenten François Hollande in Berlin versucht, Putin zu einem Einlenken in Syrien sowie in der Ost-Ukraine zu bewegen. Bei Thema Syrien gab es dabei so gut wie keine greifbaren Fortschritte.

Am Freitagmorgen sagte Merkel nach einer gut vierstündigen Diskussion über den künftigen Umgang mit Moskau, es gebe in der EU „einen großen Konsens der strategischen Optionen gegenüber Russland“. Man wolle zwar eine gute Zusammenarbeit, weil ein großer Teil Russlands Teil Europas sei. Aber angesichts des Vorgehens in Syrien seien die EU-Partner einig, dass sie menschenverachtende Bombardements nicht akzeptieren könnten und „alle verfügbaren Maßnahmen aktivieren“ wollten, wenn diese nicht aufhörten. Merkel betonte aber auch: „Das steht heute nicht im Vordergrund.“ Zunächst werde alles daran gesetzt, humanitäre Hilfe zu leisten.

Merkel sprach von tiefgehenden Diskussionen. Zwar habe es nicht immer einheitliche Antworten gegeben, „aber ein tiefes Verständnis davon, dass nur, wenn wir gemeinsam agieren und eine gemeinsame Lösung finden, und auch untereinander dann Kompromisse eingehen, wir überhaupt eine Kraft sind, die auch die Interessen der Europäer gut repräsentieren“ könne. „Der Wunsch, eine einheitliche Meinung zu bilden, war heute schon sehr dominant“, sagte Merkel.

Schon beim Eintreffen zum Gipfel hatte die Kanzlerin ihre EU-Kollegen zu einer harten und klaren Haltung gegenüber dem Vorgehen Putins in Syrien aufgefordert. „Ich hoffe, dass wir als Europäischer Rat doch in der Lage sind, deutlich zu machen, dass das, was in Aleppo passiert, mit russischer Unterstützung, völlig unmenschlich ist“, sagte sie. Es müsse schnellstmöglich an einem dauerhaften Waffenstillstand gearbeitet werden.