Der Kampf gegen die hohe Erwerbslosigkeit junger Menschen ist das Hauptthema des EU-Gipfels. Menschen wie der Mechaniker Javier Saintmartin aus Spanien kommen nach Deutschland, weil sie in ihrer Heimat keine Arbeit finden.

Brüssel - Für seine Arbeit braucht Javier Saintmartin nicht viele Worte. Der 26 Jahre alte Mechaniker steht in der Werkstatt, legt den Kopf in den Nacken und zeigt auf eine lose Schraube. Über ihm schwebt auf Eisenstützen eine Lok, der Motor muss repariert werden. Sein Kollege nickt, Saintmartin lacht. Seit zwei Monaten arbeitet er bei der Rurtalbahn in Düren nahe Aachen. Er spricht wenig Deutsch, die Kollegen nur schlecht Englisch und Spanisch sowieso nicht, trotzdem verstehen sie sich. Saintmartin kam vor einem Jahr mit einem europäischen Auszubildenden-Austausch für drei Monate in die Werkstätten der Rurtalbahn. Als seine Lehre im spanischen Sevilla zu Ende war, gab es dort keine Arbeit – in Düren wurde eine Stelle frei.

 

Der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit ist das wichtigste Anliegen des Gipfels am Donnerstag und Freitag in Brüssel. Während in Deutschland viele Betriebe dringend Fachkräfte suchen, ist EU-weit knapp ein Viertel aller jungen Menschen ohne Job, in Spanien und Griechenland sind es sogar mehr als die Hälfte. Auch in Saintmartins Freundeskreis ist jeder Zweite ohne Arbeit. Viele seiner Freunde müssen weiter bei den Eltern wohnen, das Warten macht sie müde und depressiv. Allein 2011 wurde der europaweite volkswirtschaftliche Schaden durch die Abkopplung junger Menschen vom Arbeitsmarkt auf etwa 153 Milliarden Euro geschätzt, manche sprechen von „der verlorenen Generation“. Saintmartin wollte nicht warten, da verließ er lieber Sevilla, die Stadt in der er geboren ist und in der er eigentlich auch alt werden wollte.

Kontakte nach Deutschland schon während der Lehre

Dass Saintmartin so gute Kontakte ins Ausland hat, ist Christine Stommel zu verdanken. Sie ist Mobilitätsberaterin bei der Handwerkskammer Aachen. Es ist ihr Job, im Rahmen des europäischen „Da Vinci“-Programms deutschen Auszublindenden Praktika im Ausland zu vermitteln und umgekehrt. Sie organisierte vor zwei Jahren den Kontakt zu Saintmartins Schule. „Dass er dann im Anschluss an den Austausch hier auch eine Stelle gefunden hat, ist toll“, sagt sie. Seit Beginn der Krise bekommt sie viel mehr Anfragen aus Spanien, Italien und Griechenland – viele wollen schon während der Lehre Kontakte nach Deutschland knüpfen. Stommels Stelle und die ihrer 34 Kollegen in Handwerkskammern deutschlandweit wird zu 50 Prozent aus dem Europäischen Sozialfonds bezahlt. Der vergibt zehn Milliarden Euro im Jahr für solche Projekte – und beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs soll nun noch mehr Geld gegen die Jugendarbeitslosigkeit zusammenkommen.

Parlament: Größte Verantwortung liegt bei Mitgliedsstaaten

Drei Punkte wollen die Mitgliedstaaten vorantreiben, um mehr Stellen zu schaffen: Die Jugendgarantie mit Geld füllen, über die Umsetzung der Garantie diskutieren und jungen Arbeitssuchenden mehr Mobilität ermöglichen. Dazu gehört eine bessere grenzübergreifende Arbeitsvermittlung, aber auch Austauschprogramme während der Ausbildung, wie eben das Pilotprojekt „Mobilitätsberatung“ der Handwerkskammern in Deutschland. Mit Hilfe der Jugendgarantie soll jungen Menschen innerhalb von vier Monaten nach ihrem Abschluss eine Arbeit oder eine Weiterbildung garantiert werden. Dafür sind sechs Milliarden Euro eingeplant. Auf dem Gipfel wollen die Regierungschefs nun dafür sorgen, dass das Geld möglichst ab Januar bereitsteht. Die Internationale Arbeiterorganisation schätzt die Kosten einer effektiven Jugendgarantie auf bis zu 21 Milliarden Euro. Geld für Projekte soll auch von der Europäischen Investmentbank kommen, ihre Mittel werden um 60 Milliarden Euro aufgestockt.

Die größte Verantwortung liegt nach Ansicht des Europäischen Parlaments bei den Mitgliedstaaten. „Dieser Gipfel ist kontraproduktiv, weil er suggeriert, dass die EU etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun kann“, sagt Daniel Gros von der europäischen Denkfabrik CEPS. Die Krisenländer sollten ihre Wirtschaft strukturell reformieren und ihre Ausbildungsformen überarbeiten. Da es in Deutschland nur eine Jugendarbeitslosigkeit von 7,5 Prozent gibt, wird das hiesige Ausbildungsmodell von vielen als vorbildlich betrachtet. „Langfristig werden wir die Jugendarbeitslosigkeit nur mit Strukturreformen in den Griff bekommen“, sagt FDP-Europaparlamentarierin Nadja Hirsch, Mitglied im Ausschuss für Soziales und Beschäftigung. „Auch in Länden wie Spanien muss die Ausbildung praxisorientierter werden ähnlich der dualen Ausbildung in Deutschland.“ Es sei das Ziel, dass junge Menschen in ihrem Heimatland einen Job fänden.

Javier Saintmartin glaubt nicht, dass die Krise in Spanien schnell vorbei ist. Auch seine Freundin zieht jetzt zu ihm nach Deutschland. Sie ist 22, Kosmetikerin und hat vorübergehend einen Job bei der Reinigungsfirma bekommen, die die Züge der Rurtalbahn putzt.