Beim Sondertreffen der europäischen Innenminister in Brüssel ist eine Quotenlösung in weiter Ferne. Aber die Mehrzahl der Mitgliedsstaaten konnte sich grundsätzlich einigen.

Brüssel - Den großen Durchbruch zur Eindämmung der Flüchtlingskrise hat es beim Treffen der EU-Innenminister am Montagabend in Brüssel nicht gegeben. Angesichts des gewaltigen Handlungsdrucks konnten sich die europäischen Regierungen aber immerhin im Grundsatz darauf verständigen, insgesamt 160 000 Flüchtlinge gleichmäßiger über Europa zu verteilen. Allerdings soll dies nicht über eine verpflichtende Quote geschehen, wie das Kommissionschef Jean-Claude Juncker wollte, sondern auf freiwilliger Basis.

 

„Wir haben heute erreicht, dass wir eine politische Zustimmung zur Verteilung von 160 000 Asylsuchenden bekommen“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit Blick darauf, dass erst beim nächsten Treffen mit seinen Kollegen am 8. Oktober geklärt werden soll, welches Land wieviele Menschen vor allem aus Syrien aufnimmt. „Wir haben die Festlegung auf die Quoten noch nicht erreicht“, musste de Maizière einräumen; dies sei deshalb „noch weit entfernt von dem, was wir erwarten an Solidarität innerhalb der Europäischen Union“.

Schon die erste von der EU-Kommission vorgeschlagene Notverordnung vom Mai, die eine verpflichtende Verteilungsschlüssel für 40 000 Flüchtlinge vorsah, war auf Druck aus Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei zur freiwilligen Vereinbarung geworden – und erst einmal gescheitert: Bis zum Stichtag Ende Juli war lediglich angeboten worden, den überforderten Ländern Italien und Griechenland etwas mehr als 32 000 Asylbewerber abzunehmen. Erst auf der Sitzung am Montag gingen die letzten „Angebote“ ein.

Minimallösung auf allen Ebenen vorbereitet

Für die zweite Notumsiedlung weiterer 120 000 Menschen – einer Größenordnung, die Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) kürzlich als schon längst nicht mehr ausreichend bezeichnete – hatte auch die österreichische Ministerin Johanna Mikl-Leitner eindringlich geworben. Er ziele mit der Verteilung von 50 400 und 54  000 Asylsuchenden aus Griechenland beziehungsweise Ungarn speziell auf eine „Entlastung der Balkanroute“, was auch den Zielländern Österreich und Deutschland helfe.

„Quoten sind keine Lösung“, hatte dagegen der slowakische Minister Robert Kalinak gesagt, dessen Land gerne freiwillig helfe, aber nicht, wenn es müsse: „Erster Schritt muss sein, den Flüchtlingsstrom zu stoppen.“ Angesichts des tiefen Zerwürfnisses sprach die Wiener Ministerin von der „Gefahr, dass Europa scheitert“.

Auf allen Ebenen war deshalb am Wochenende und am Montagvormittag an der nun vereinbarten Minimallösung gearbeitet worden. Juncker etwa telefonierte mit Ungarns Premier Viktor Orban und Polens Ministerpräsidentin Ewa Kopacz. Diese beiden Länder hätten sich, so ein belgischer Diplomat, „in der Sitzung weniger scharf geäußert als zuletzt“. Die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller sprach am Abend dennoch von einer „herben Enttäuschung“, da die Innenminister nur „vage Andeutungen abgeliefert“ hätten.

Eine konkrete Entscheidung

Tatsächlich gab es nur eine sehr konkrete Entscheidung: So sollen Länder des Westbalkans wie Albanien, Bosnien, Serbien oder Montenegro EU-weit zu sicheren Herkunftstaaten erklärt werden – nicht jedoch die Türkei. Geschaut werden soll nun aber auch, ob im EU-Haushalt weitere Mittel für Jordanien, den Libanon oder eben die Türkei vorhanden sind, „damit sich dort nicht noch mehr aufmachen nach Europa“, wie de Maizière sagte. Die Höhe der Unterstützung ist aber ebenso wenig klar wie die der Finanzhilfe für Griechenland, das sich zur Einrichtung mehrerer europäischer Registrierungs- und Aufnahmezentren bereit erklärte.

In Brüssel wurde die deutsche Ankündigung vom Vortag, vorübergehend wieder Grenzkontrollen einzuführen, als Maßnahme gewertet, um den Druck auf die osteuropäischen Länder zu erhöhen. Ohne gemeinsame Lösungen werde es einen „Dominoeffekt geben“, warnte Luxemburgs Minister Jean Asselborn deshalb vor der Sitzung: „Dann können wir Schengen vergessen.“ In dem Luxemburger Moselstädtchen wurde vor 30 Jahren zwischen sechs Staaten das Ende der Schlagbäume in Europa beschlossen. „Die Drohung hat“, so ein EU-Diplomat, „zumindest ein kleines bisschen gewirkt.“