108 Frauen und Männer aus Baden-Württemberg wollen am Sonntag ins EU-Parlament gewählt werden. Aber aus ganz Deutschland kommen nur 96 zum Zuge. Wer sind die Köpfe aus dem Südwesten, welche Chancen haben sie?

Stuttgart - Europa ist attraktiv: 108 Frauen und Männer aus Baden-Württemberg streben ein Mandat im EU-Parlament an. Dabei werden auf ganz Deutschland nur 96 Sitze entfallen. Wie viele Köpfe aus dem Südwesten letztlich in Brüssel und Straßburg europapolitisch mitmischen werden, ist abzuwarten. Bei der Wahl vor fünf Jahren waren es gerade mal zwölf.

 

Der Andrang korrespondiert kaum mit der Prominenz der Bewerber. Die wenigsten auf dem Stimmzettel ausgezählten Kandidaten dürften dem Wahlvolk bekannt sein. Dabei nennt der landeseinheitliche Stimmzettel für jede Liste die ersten zehn Bewerber. Da kommt eine ganze Menge zusammen. In Baden-Württemberg treten 24 verschiedene Gruppierungen an. Das bringt den Stimmzettel auf eine Länge von 74 Zentimetern, wie die Landeswahlleiterin Christiane Friedrich vorab schon mal mitgeteilt hat, wahrscheinlich, dass man im Wahllokal nicht erschrickt.

Seit sieben Wahlperioden erfolgreich

Angesichts von so viel Masse sind Superlative keine Kunst. Ladies first: Evelyne Gebhart steht für einen Rekord. Die französischstämmige SPD-Politikerin aus Schwäbisch Hall ist mit 20 Jahren im EU-Parlament die dienstälteste Abgeordnete zumindest aus Baden-Württemberg. In vier von seither sieben Wahlperioden war Gebhart im Europaparlament vertreten. Die Chancen, dass es die 60-Jährige auch in die fünfte schafft, stehen ganz gut. Sie kandidiert wieder und wurde von ihrer Partei auf Platz sechs der Bundesliste gesetzt. Vor fünf Jahren holte die SPD bundesweit 20,8 Prozent und damit 23 Sitze. Wenn es für die Sozialdemokraten nicht komplett daneben läuft, müsste es auch für den Mannheimer Peter Simon wieder reichen. Er sitzt seit 2009 im EU-Parlament und kandidiert jetzt auf Platz 17. Das ist aber auch schon die ganze bisherige SPD-Riege aus dem Land.

Dreimal so groß ist die der Südwest-CDU. Sie schickte 2009 sechs Frauen und Männer ins EU-Parlament. Der prominenteste von ihnen ist Rainer Wieland. Der Gerlinger ist seit 1997 MdEP und hat es bis zu einem der 14 Stellvertreter des Parlamentspräsidenten gebracht. Die CDU tritt zur Europawahl als einzige Gruppierung mit Landeslisten an. Die für Baden-Württemberg führt der 57-jährige Wieland an. Ihm folgen die bisherigen Parlamentskollegen Daniel Caspary (38, Karlsruhe), Andreas Schwab (41, Villingen-Schwenningen), Inge Gräßle (53, Heidenheim) und Thomas Ulmer (57, Mosbach). Sie alle sind seit zehn Jahren im Europaparlament. Nicht mehr angetreten ist Elisabeth Jeggle (66, Biberach), die 15 Jahre MdEP war. Dafür bewirbt sich Norbert Lins (37, Ravensburg).

27 Südwest-Liberale wollen ins Parlament

Einen anderen Rekord hält die FDP, sie stellt nicht weniger als 27 Kandidaten auf der Bundesliste. Wahrscheinlich ist aber, dass höchstens zwei zum Zuge kommen – wie schon 2009. Damals hieß die Spitzenkandidatin der Bundes-FDP Silvana Koch-Mehrin, sie wurde Karlsruhe zugeordnet. Michael Theurer aus Horb schaffte es ebenfalls. Theurer, der inzwischen Landeschef der Südwest-FDP ist, wurde von seiner Partei auf Platz zwei der Liste gesetzt – hat also gute Chancen. Enger wird es für Renata Alt (49) aus Kirchheim auf Platz neun. Vor fünf Jahren reichte es für die Liberalen mit einem Superergebnis von elf Prozent für zwölf deutsche EU-Abgeordnete. Diesmal sind die Demoskopen für die FDP ja etwas zurückhaltender.

Komplettumbruch steht bei den Grünen an. Aus dem Land vertraten bisher Heide Rühle und Franziska Brantner die Grünen in Brüssel. Rühle (65, Stuttgart) tritt nach 15 Jahren auf dem europäischen Parkett nicht mehr an. Brantner (34, Heidelberg) wechselte im Oktober in den Bundestag. Jetzt führt die Bäuerin Maria Heubuch (56, Leutkirch) die Südwest-Grünen nach Brüssel. Sie ist auf Platz 11 der Liste platziert. Vor fünf Jahren holten die Grünen bei einem Bundesergebnis von 12,1 Prozent insgesamt 14 Mandate. Damit der Tübinger Wolfgang Wettach, der auf Platz 16 gesetzt ist, den Sprung ins EU-Parlament schafft, müssten die Grünen einiges zulegen.

Neulinge machen sich Hoffnungen

Die anderen Gruppierungen sind bisher nicht mit Abgeordneten aus Baden-Württemberg in Brüssel vertreten. Die Linke zum Beispiel hat 2009 immerhin 7,5 Prozent geholt und acht Sitze errungen, fürs Land aber keinen. Das dürfte auch diesmal so kommen, denn mit Gotthilf Lorch aus Tübingen steht der erste Baden-Württemberger erst auf Platz 16 der Linken-Liste.

Prominent vertreten sind die Baden-Württemberger auf der Liste der AfD. Platz drei nimmt Bernd Kölmel aus Ötigheim bei Karlsruhe ein. Auf Platz fünf steht der Tübinger Ökonomie-Professor Joachim Starbatty, auf Platz acht der Karlsruher KIT-Mitarbeiter Marc Jongen. Wenn es für die europakritischen Alternativen richtig gut liefe, könnten sie so viele EU-Abgeordnete aus dem Südwesten entsenden wie die SPD.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Drei-Prozent-Hürde vor dem Einzug ins EU-Parlament abgeräumt. Das erschwert Prognosen. Wenn es wahr ist, dass eine Gruppierung bereits mit einem Stimmenanteil von einem Prozent einen Sitz erringen könnte, gäbe es weitere EU-Anwärter. Die Freien Wähler haben es 2009 auf 1,7 Prozent gebracht, die „Republikaner“ auf 1,3, die Familienpartei auf ein, die Piraten auf 0,9 Prozent. Da ist kein Baden-Württemberger ganz vorne auf der Liste. Aber wenn Sitze zu diesen Gruppierungen wandern, gehen sie bei anderen ab – was deren Riegen im Land schrumpfen lassen könnte.