EU-Kommissar Günther Oettinger befürchtet durch eine zu schnelle Energiewende Schaden für die Versorgungssicherheit.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - EU-Energiekommissar Günther Oettinger verlangt eine „Geschwindigkeitsbegrenzung“ bei der Energiewende in Deutschland. „Wir sind ungeordnet in die Energiewende hineingestolpert“, sagte Oettinger beim „Unternehmertag 2012“ der Landesvereinigung der Baden-Württembergischen Arbeitgeberverbände. Der Bedarf an Strom in Deutschland werde künftig weiter steigen, meinte der EU-Kommissar. Elektroautos, aber auch die Bahn oder die Industrie bräuchten künftig mehr Strom. Dies gelte insbesondere auch für Industrien, die nötig seien, damit die Energiewende erfolgreich sei.

 

So sei etwa Aluminium, zu dessen Herstellung viel Strom gebraucht werde, nötig, um leichtere Autos oder Rotoren für Windräder zu bauen. Ähnliches gelte auch für die Produktion von Karbon, mit dessen Hilfe die Fahrzeugbauer Autos leichter machen wollten. Nach Meinung von Oettinger ist nicht nur der künftige Bedarf an Strom keineswegs gedeckt, sondern auch die Sicherheit der Versorgung in Gefahr. Die Schäden, die selbst bei einer kurzfristigen Unterbrechung der Stromversorgung entstehen könnten, seien enorm.

Deutschland, sei aus der letzten Krise so gut und schnell herausgekommen, weil es – etwa im Gegensatz zu Großbritannien – eine starke industrielle Grundlage habe. Diese dürfe nichtgefährdet werden. Deshalb gäbe es für ihn auch keine „alten Industrien“. Auch Industrien, die wie etwa die Chemie viel Strom verbrauchten, müssten in Deutschland gehalten werden.

Noch lange Kernkraft in Europa

Nach Ansicht des EU-Kommissars wird Europa insgesamt anders als Deutschland in den nächsten Jahrzehnten keinen Abschied von der Kernkraft nehmen. So wolle zwar der französische Staatspräsident Francois Hollande den Anteil der Kernkraft an der Energieversorgung seines Landes reduzieren. Dieser werden nach den Plänen von Hollande dann aber immer noch lange bei 50 Prozent liegen. Polen und Großbritannien wollten sogar neue Atomkraftwerke bauen. „So wie andere Länder unseren Ausstieg akzeptieren müssen wir auch akzeptieren, dass diese an der Kernkraft festhalten“, sagte Oettinger .

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte, dass viele für eine wirksame und sichere Energiewende nötigen Schritte im Kompetenzgerangel zwischen verschiedenen Ministerien hängen blieben. „Nicht die Wirtschaft steht auf der Bremse, sondern die Politik selbst“ erklärte Hundt. Dies sei angesichts der „straffen Vorgaben“ für einen Atomausstieg „unverantwortlich.“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann verlangte, Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse die Verantwortung für die Energiewende „in einem Ressort bündeln.“ In der Bevölkerung gebe es eine breite Mehrheit und in der Wirtschaft „eine große Akzeptanz“ für die Energiewende, meinte der Ministerpräsident. Explosionsartig steigende Kosten befürchtet Kretschmann nicht. „Die Energiepreise werden nicht stärker steigen als in der Vergangenheit“ sagte der Ministerpräsident beim Arbeitgebertag. Gerade Baden-Württemberg habe durch die Energiewende zudem die Möglichkeit, „grüne Technologie zum Exportschlager“ zu machen. Wie auch auf anderen Gebieten gelte auch in Fragen der Energiepolitik, dass die Landesregierung nichts unternehmen wolle, „was der Wirtschaft schadet.“