Wegen des ständigen Streits mit der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist der Franzose Breton zurückgetreten. Sein Nachfolger steht schon fest: Frankreichs derzeitiger Außenminister Stéphane Séjourné.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die EU-Parlamentswoche in Straßburg beginnt mit einem Paukenschlag. Der französische EU-Kommissar Thierry Breton hat überraschend seinen sofortigen Rücktritt angekündigt. Für Furore sorgt nicht nur die Nachricht, sondern auch die Begründung des Franzosen, die er auf dem Kurznachrichtendienst „X“ öffentlich machte. Die gleicht einer radikalen Abrechnung mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, der Breton in dem Tweet eine „fragwürdige Regierungsführung“ vorwirft.

 

Breton hält der Deutschen vor, dass sie Frankreich vor einigen Tagen dazu aufgefordert habe, seinen Namen für die neue Kommission zurückzuziehen - und das aus persönlichen Gründen, die sie nicht direkt mit ihm besprochen habe. Der Franzose schreibt weiter, dass er deshalb mit sofortiger Wirkung als EU-Kommissar zurücktreten müsse. Breton war bisher zuständig für Binnenmarkt und Dienstleistungen.

Ein schwerer Rückschlag für Ursula von der Leyen

Der Rücktritt von Thierry Breton ist ein weiterer schwerer Rückschlag für Ursula von der Leyen. Denn die EU-Kommissionschefin wollte am Dienstag in Straßburg dem Parlament die 26 Namen ihrer neuen Kommission präsentieren. Der Franzose galt als gesetzt und es wurde erwartet, dass er wieder ein wichtiges Ressort erhalten würde.

Das Verhältnis zwischen dem selbstbewussten Breton und seiner Chefin war allerdings von großen Spannungen geprägt, da er immer wieder sehr eigenmächtig handelte. Für Ärger sorgte sein offener Brief an Tesla-Gründer Elon Musk, den er vor einem umstrittenen Interview des Tech-Milliardärs mit Donald Trump veröffentlichte. Seine Kritiker warfen Breton einen Angriff auf die Meinungsfreiheit vor. Für böses Blut unter den konservativen Europaparlamentariern sorgte er im März, als der liberale Breton der EVP-Fraktion vorwarf, bei der Wahl im Parlament die eigene EU-Kommissionschefin nicht geschlossen zu unterstützen. „Die EVP scheint nicht an ihre Kandidatin zu glauben“, spottete er damals in einem Brief, der auch als kaum verhohlene Spitze gegen Ursula von der Leyen gewertet wurde.

Ein Mann mit einem sehr eigenen Kopf

Auch in den Hauptstädten der EU-Staaten sorgte sein oft polarisierendes Auftreten immer wieder für Stirnrunzeln. Hinter vorgehaltener Hand wurde dem Franzosen in der Vergangenheit vorgeworfen, einseitig die wirtschaftspolitischen Interessen seines Heimatlandes zu vertreten, obwohl Kommissionsvertreter eigentlich unabhängig von den nationalen Interessen einzelner Regierungen agieren sollen.

Bretons Qualitäten als Manager werden allerdings von niemandem angezweifelt. Seit es ihm als Industriekommissar gelang, die schleppende Impfstoff-Produktion während der Corona-Krise in der EU in Gang zu bringen, hat der 69-jährige Franzose ein Macher-Image. Während seines Berufslebens ist Breton immer wieder zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gependelt. So war er Wirtschafts- und Finanzminister unter Jacques Chirac. Von 2008 bis 2019 leitete er das große IT-Unternehmen Atos. In der Kommission hieß es bisweilen bewundernd, dass Breton einer der sehr wenigen Kommissare sei, die sich mit den Wirtschaftsgrößen dieser Welt auf Augenhöhe unterhalten könnten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron holte ihn schließlich 2019 in die EU-Kommission.

Ursula von der Leyen hat ein Frauenproblem

Der Rücktritt Bretons vergrößert die Probleme Ursula von der Leyens bei der Zusammensetzung der Kommissionsposten noch einmal immens. Schon die von ihr angestrebte mehrheitliche Besetzung des Kollegiums mit Frauen entwickelte sich zum personalpolitischen Reinfall.

Die meisten EU-Staaten weigerten sich schlicht, Politikerinnen zu nominieren. Damit könnten der neuen Kommission elf Frauen und 16 Männer angehören, die deutsche Kommissionschefin bereits eingerechnet. Das wäre immer noch eine Frau weniger als zu Beginn ihrer ersten Amtszeit 2019. Die CDU-Politikerin versuchte zuletzt noch einige kosmetische Korrekturen an dem Ergebnis, machte damit allerdings alles nur noch schlimmer. Denn auf Druck von Ursula von der Leyen wollte Slowenien den eigentlich nominierten Mann durch eine Frau austauschen, doch nun blockiert die verärgerte Opposition in Ljubljana das Prozedere.

Der Nachfolger steht bereits fest

Emmanuel Macron scheint von der Entscheidung Bretons wenig überrascht worden zu sein. Nur wenige Stunden nach dessen Rücktritt schlug Frankreichs Präsident den geschäftsführenden Außenminister Stéphane Séjourné für das Amt vor. Der ist in Brüssel bestens bekannt, denn er war in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender der liberalen Renew-Fraktion im Europaparlament, bevor er Anfang des Jahres als Außenminister nach Paris wechselte. Allerdings ist Stéphane Séjourné keine Frau, wie von Ursula von der Leyen eigentlich gefordert. Das darf als deutliches Zeichen aus Paris nach Brüssel verstanden werden.