Die EU-Kommission schlägt die weitere Verwendung des Ackergifts Glyphosat für neun Jahre vor. Eine Einschränkung des Gebrauchs ist nicht vorgesehen.

Brüssel - Die EU-Kommission schlägt vor, das umstrittene Ackergift Glyphosat für weitere neun Jahre in der EU zuzulassen. Dies steht in einem Entwurf für eine Sitzung in der nächsten Woche, bei der auf EU-Ebene eine Entscheidung fallen soll. Die Entscheidung muss nicht einstimmig erfolgen, eine einfache Mehrheit genügt. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Die laufende Zulassung des Unkrautvernichters läuft Ende Juni aus. Die Kommission schlägt eine Verlängerung bis Juni 2025 vor und will auch den Gebrauch auf Spielplätzen, Grünflächen und auf dem Acker kurz vor der Ernte nicht einschränken. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO (IARC) hat Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam dagegen zu der Einschätzung, es sei bei bestimmungsgemäßer Anwendung nicht gesundheitsschädlich. Deutschland wird sich voraussichtlich bei der Abstimmung enthalten.

 

Urintest der Abgeordneten

Agrarminister Christian Schmidt (CSU), der für die Zulassung ist, und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die dagegen ist, können sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Hendricks sagte: „Dass Glyphosat negative Auswirkungen auf die Umwelt hat ist nachgewiesen. Das muss bei der Entscheidung berücksichtigt werden.“ Unterdessen machten in Brüssel die Ergebnisse eines Urintests von 48 Europaabgeordneten die Runde, deren Ausscheidungen auf Rückstände des Ackergifts untersucht worden waren. Das Ergebnis: Im Schnitt hatten die Abgeordneten 1,7 Mikrogramm des Pflanzenschutzmittels (auf einen Liter) in ihrem Urin. Auch wenn das Trinken von Urin eher ungewöhnlich ist, zum Vergleich: Dies ist ein Wert, der den Grenzwert für Trinkwasser um das 17fache überschreitet. Unter den freiwilligen Testpersonen ist auch der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. Sein Testergebnis liegt mit 1,98 Mikrogramm leicht über dem Schnitt seiner Parlamentarierkollegen aus insgesamt 13 Ländern.

Höhere Rückstandswerte bei Vegetariern

Giegold, der sich laut eigener Auskunft überwiegend mit Bio-Produkten ernährt und weitgehend fleischlos isst, sagte: „Meine Werte zeigen, dass man dem Zeug nicht entkommen kann, auch nicht indem man sich überwiegend Bio ernährt.“ Vegetarier haben im Schnitt einen höheren Rückstandswert, weil sie mehr Getreide und Gemüse essen, also Ackerprodukte. Bei den EU-Parlamentariern waren Werte zwischen 0,17 und 3,57 Mikrogramm gemessen worden. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Nationalitäten und den Geschlechtern der Getesteten. Erst vor wenigen Wochen hatten Nachrichten zu Glyphosat-Rückständen im Bier für Furore gesorgt. In unterschiedlichen Biersorten waren Werte zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm gemessen worden. Umweltschützer argumentieren, Glyphosat sei eine chemische Keule, die typisch sei für die intensive Landwirtschaft. Das Ackergift sei ein Breitband-Killer und töte so gut wie alle Kräuter, Algen, Bakterien und Pilze. Es stehe symbolisch für eine Landwirtschaft, die wirtschaftliche Erfolge um jeden Preis wolle. Dabei gebe es durchaus Alternativen. Unkraut könne auch mit anderen Methoden wie etwa Wasserdampf, kochendem Wasser und organischen Unkrautvernichtungsmitteln beseitigt werden.

Viele fordern schärfere Regeln

Der Agrarexperte der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, sagte: „Es ist ein Skandal, dass die EU-Kommission einen Vorschlag durchdrücken will, der den Einsatz des giftigen Pflanzenschutzmittels ohne Begrenzung zulässt und alle Warnungen vor den Folgen für Mensch und Umwelt ignoriert.“ Schon vor einigen Wochen hatte das Europaparlament gefordert, Glyphosat nur für sieben Jahre zuzulassen. Auch eine Zulassung für bis zu 15 Jahre wäre möglich. Eine Mehrheit des Parlamentes hatte zudem gefordert, dass die Regeln für die Anwendung des Ackergiftes verschärft werden. So sollen lediglich Fachleute, die ihre Sachkunde nachgewiesen haben, Glyphosat künftig noch auf den Feldern ausbringen dürfen. Außerdem, so die Forderung einer breiten Mehrheit im Parlament, soll künftig der Einsatz auf Kinderspielplätzen, in Parks und kurz vor der Ernte verboten sein. Diese Anwendungsbeschränkungen müssen die Mitgliedsstaaten in nationalen Gesetzen und Verordnungen regeln. Die Grünen haben bei diesem Beschluss des Europaparlamentes nicht mitgemacht. Sie fordern, dass die Zulassung für Glyphosat ersatzlos Ende Juni ausläuft. In der Landwirtschaft wird das Ackergift, das unter anderem von der Firma Monsanto vertrieben wird, in großem Stil eingesetzt. Gründe für seine Beliebtheit dürften zum einen seine hohe Wirksamkeit, zum anderen aber auch der recht niedrige Preis sein. Da das Patent auf Glyphosat bereits seit Jahren ausgelaufen ist, sind Nachahmerpräparate auf dem Markt. Dadurch ist das Preisniveau vergleichsweise niedrig. Bei der Europäischen Chemikalienagentur laufen derzeit weitere Tests mit dem Ackergift. Dabei soll untersucht werden, ob der Einsatz von Glyphosat in Wechselwirkung mit anderen chemischen Stoffen Gefahren birgt, von denen bislang noch nicht die Rede war.