Christos Stylianides, Koordinator für den EU-Einsatz gegen Ebola, sucht dringend weitere Freiwillige für den Einsatz in Afrika. Die Gefahr dieser Epidemie, mahnt er im Interview mit der Stuttgarter Zeitung, sei nicht gebannt.

Brüssel – - Spät, sehr spät sogar hat die internationale Gemeinschaft auf die Ebola-Katastrophe reagiert. Nun hofft EU-Koordinator Christos Stylianides, dass schnell ein Impfstoff einsetzbar ist.
Herr Kommissar, die Ebola-Epidemie scheint aus den Schlagzeilen verschwunden. Ist das Schlimmste überstanden?
Die Lage gibt immer noch Anlass zu großer Sorge – in Sierra Leona etwa ist die Zahl der Ebola-Infizierten wieder gestiegen. Und die Gefahr einer Ausbreitung ins Nachbarland Mali ist real. Gleichzeitig, und da haben Sie Recht, stellt die internationale Gemeinschaft jetzt die nötigen Ressourcen bereit, um diese tödliche Krankheit in den drei am stärksten betroffenen Ländern Afrikas zu bekämpfen. Wir sind also mittendrin im Kampf gegen Ebola. Lange Zeit ist viel zu wenig geschehen. Ich teile diese Einschätzung – auch wenn die EU-Kommission schon im April Hilfsgelder mobilisiert und Helfer entsandt hat. Aufgewacht ist die internationale Gemeinschaft aber wirklich erst viel später, als Ebola-Fälle aus Spanien und den USA gemeldet wurden, als auch „wir“ hätten betroffen sein können.
Steht denn jetzt genug Geld zur Verfügung?
Die EU als Ganzes stellt – wie beim Gipfel Ende Oktober beschlossen – mehr als eine Milliarde Euro für den Kampf gegen Ebola bereit. Im Augenblick reicht das. Neben dem Geld ist die Solidarität mit den Menschen vor Ort aber genauso wichtig.
Was meinen Sie damit genau?
Bei meinem Besuch in Sierra Leone, Guinea und Liberia habe ich die Freudentränen der Überlebenden und der lokalen wie internationalen Helfer gesehen, weil jemand sich für sie interessiert hat. Das war eine unglaubliche Erfahrung. Diese Menschen müssen wissen, dass sie nicht alleine stehen im Kampf gegen diese furchtbare Krankheit, sondern ihn für uns alle führen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die europäische Öffentlichkeit den Kampf gegen Ebola nicht vergisst. Weil noch mehr Helfer benötigt werden. Wir brauchen allein in Sierra Leone ein 40-köpfiges Ärzteteam zum Betreiben eines Behandlungszentrums; in Guinea außerdem vier solche Teams; und zusätzlich Epidemiologen, die die Entwicklung der Krankheit im Land dokumentieren und analysieren, damit wir besser wissen, wo wir im Kampf gegen Ebola stehen. Wir benötigen kleine mobile Ärzteteams, die in ländliche Regionen gehen können, und Ausbilder, die lokale Helfer schulen. Die Arbeit ist gefährlich.
Welche Sicherheiten bieten Sie Freiwilligen?
Wir haben ein voll funktionsfähiges Evakuierungssystem aufgebaut. Im Notfall können wir jeden in eine Quarantänestation ausfliegen und in Europa behandeln lassen. Denn natürlich ist die Arbeit nicht ohne Risiko. Wir müssen das viel stärker würdigen. Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ beispielsweise leistet in Westafrika eine herausragende Arbeit, für die ich sehr, sehr dankbar bin. Das sind echte Helden.
Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen deutschen Beitrag?
Deutschland trägt entscheidend zum Kampf gegen Ebola bei – allein 108 Millionen Euro an bilateraler Hilfe. In Liberia hat es Experten, ein Feldlazarett mit 100 Betten und logistische Unterstützung bereitgestellt. In Sierra Leone betreiben die Deutschen ein weiteres Krankenhaus mit 60 Betten. Die Luftwaffe hat über eine Luftbrücke lebenswichtige Güter ins Land gebracht. Die Bundeswehr bildet jede Woche 20 medizinische Helfer und 20 Logistiker aus. Als Koordinator der europäischen Bemühungen kann ich sagen: Deutschland kann stolz auf diesen Beitrag sein.
Was macht ein EU-Ebola-Koordinator eigentlich genau?
Ich spreche mich mit den UN-Agenturen und natürlich den EU-Regierungen ab. Und auch innerhalb der EU muss ich verschiedene Zuständigkeiten zusammenführen: Mit dem Gesundheitskommissar rede ich über medizinische Hilfe und Aufklärungskampagnen, mit dem Entwicklungskommissar über den Wiederaufbau der Gesundheitssysteme, und mit dem Forschungskommissar über die Entwicklung eines Ebola-Impfstoffes. Da gab es vergangene Woche ein hoffnungsvolles Zeichen: In den USA wurde ein Impfstoff ohne negative Begleiterscheinungen an mehreren Personen getestet. Wenn es wirklich einen Impfstoff gibt, wird die Verbreitung drastisch eingedämmt, und es werden sich mehr freiwillige Helfer melden. Manche Experten rechnen damit, dass Ebola in diesem Fall bis Ende nächsten Jahres auch in Westafrika unter Kontrolle gebracht sein könnte.

Medinziner und Politiker

 

Christos Stylianides, Jahrgang 1968, ist von Haus aus Zahnarzt und hat in diesem Beruf auch mehrere Jahre gearbeitet. Nebenher absolvierte er ein politisches Aufbaustudium unter anderem an der US-Eliteuni Harvard. Er machte daraufhin Karriere in der Regierungsparte und war Regierungssprecher.

Im Mai 2014 wurde Stylianides ins Europaparlament gewählt, im Sommer zum EU-Kommissar ernannt. Seit November ist er für die humanitäre Hilfe in Krisenregionen zuständig.