Die EU-Kommission plant, die Konkurrenz für europäische Fluglinien etwa aus den Golfstaaten stärker unter die Lupe nehmen. Abkommen mit den Ländern sollen neue Märkte erschließen. Das könnte auch zu Übernahmen europäischer Gesellschaften führen.

Brüssel - Europas unter Druck geratene Luftfahrtbranche erhält Unterstützung von der EU-Kommission. „Unser Ziel ist sicherzustellen, dass die EU im Bereich der Luftfahrt weltweit führend bleibt“, sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, als sie am Montag eine neue europäische Luftfahrtstrategie vorstellte. Vor allem die Fluglinien aus Asien, den Golfstaaten und anderen aufstrebenden Wirtschaftsnationen haben den hiesigen Anbietern zuletzt schwer zu schaffen gemacht.

 

So sind zum Beispiel Zahlen im Umlauf, wonach Emirates aus Dubai allein der Lufthansa in den vergangenen Jahren etwa eine Million Passagiere abspenstig gemacht hat. „Dank vorteilhafter Kosten drücken die Golflinien die Durchschnittspreise auf ein Niveau, bei dem Europas Linien nur noch dann Geld verdienen, wenn sie ihre Arbeitsweise grundlegend ändern und die Kosten deutlich senken“, heißt es in einer Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little. Dadurch wird der Service nicht unbedingt besser, was wiederum möglicherweise weitere Kunden wechseln lässt. Einen ähnlichen Aufstieg auf Kosten der EU-Fluggesellschaften hat Turkish Airlines hinter sich. 279 Ziele steuert der halbstaatliche Konzern inzwischen an. Zu Beginn des Jahrtausends war es nicht einmal ein Viertel davon.

Handelskonflikte will die Kommission vermeiden

Diese Erfolgsgeschichten sind begleitet von dem Vorwurf, dass ungerechtfertigte Subventionen im Spiel sind. In der EU-Kommission wurde am Montag darauf hingewiesen, dass noch nie eine europäische Airline Beschwerde eingereicht habe – dennoch will die Brüsseler Behörde nun genauer hinschauen. „Es gibt derzeit keinen internationalen Rechtsrahmen, um mit eventuell unfairen kommerziellen Praktiken umzugehen“, heißt es in einer Mitteilung der Kommission. Neue EU-Gesetze sollen dafür sorgen, dass sie direkt bei ausländischen Airlines Informationen einholen und gegebenenfalls Sanktionen verhängen kann – als letztes Mittel könnten sogar die Überflugrechte der betroffenen Gesellschaften eingeschränkt werden.

Vorrang sollen jedoch Abkommen mit den betroffenen Ländern haben, Handelskonflikte will die Kommission vermeiden. Für Gespräche mit dem südostasiatischen Staatenverbund Asean, mit China, der Türkei, den Golfstaaten, Mexiko und Armenien will sich Kommissarin Bulc ein Mandat der Mitgliedsstaaten besorgen, möglicherweise schon an diesem Donnerstag, wenn in Brüssel die Verkehrsminister der Gemeinschaft zusammenkommen.

Laut Prognosen werden allein in China im Jahr 2034 rund 40 Prozent des gesamten weltweiten Flugverkehrs stattfinden. Es ist erklärtes Ziel, dass die europäischen Fluggesellschaften von diesem Wachstum profitieren sollen, da der EU-Markt selbst gesättigt ist. Deswegen sollen über die Abkommen Zugangsbeschränkungen für diese Märkte abgeschafft werden.

Zwei Millionen Arbeitsplätze hängen direkt an der Luftfahrt

Grund genug, für mehrere europäische Branchendachverbände, die Brüsseler Ankündigung zu begrüßen. Gleichzeitig wurde bemängelt, dass diese noch nicht konkret genug sei. Zwei Millionen Arbeitsplätze hingen an der Luftfahrt, indirekt seien es 5,5 Millionen Jobs. Die Grünen sprachen dagegen von einem „Blindflug“ der EU-Kommission. „Die Vorschläge verstärken die inakzeptablen Wettbewerbsvorteile der europäischen Fluggesellschaften“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europaparlament Michael Cramer in Bezug auf den „wesentlich klima- und umweltfreundlicheren Bahnverkehr“. Schon jetzt werde der Flugverkehr jährlich versteckt mit rund 30 Milliarden Euro subventioniert, weil die Anbieter weder Kerosinsteuer noch Mehrwertsteuer für Auslandsflüge bezahlen müssen.

Auf Kritik von Sozialpolitikern dürfte stoßen, dass die EU in den Abkommen auch anbieten will, dass Fluggesellschaften aus Drittländern in Zukunft die Mehrheit an europäischen Airlines erwerben können – bisher liegt die Grenze bei 49 Prozent. In der EU-Kommission hieß es, solche weitreichenden Angebote würden nur gemacht, wenn es ein Bekenntnis zu den europäischen Sozial- und Umweltstandards gebe. Auch die bisherigen Passagierrechte sollen demzufolge nicht angetastet werden.

Zur Luftfahrtstrategie gehört auch, dass der jahrelange Streit über das Projekt „Single European Sky“ endlich zu den Akten gelegt werden soll. Bisher ist der europäische Luftraum weitgehend entlang nationaler Grenzen organisiert – und nach der Ansicht der Kommission ineffizient.