Vom 1. Januar 2013 an wird Müll auch im Kreis Tübingen in Gefäße mit Rädern gestopft. Die EU hat das so gewollt. Jetzt setzt das auch der letzte Landkreis im Land um.

Tübingen - Endlich Tübingen. In Stuttgart hat man ihn schon lange. In Ludwigsburg auch, in Göppingen, Pforzheim, Aalen. Heilbronn, Rastatt, Ravensburg, Bad Mergentheim . . . In Baden-Württemberg gibt es 44 Stadt- und Landkreise, und man muss hier nicht alle aufzählen. Auch wenn jeder die Abfallentsorgung auf seinem Hoheitsgebiet selbst verwaltet, weshalb sich mit der Zeit ein ganz schöner Flickenteppich unterschiedlichster Praxen ergibt. Selbst wenn es ab und zu Tipps von außen gibt, die für ein gewisses Maß an Vereinheitlichung sorgen.

 

So ein Hinweis kam aus Brüssel von der EU in Form der Richtlinie 90/269/EWG. Der Rat hatte sie am 29. Mai 1990 erlassen. Da war Deutschland völkerrechtlich noch geteilt. Am 4. Dezember 1996 fand sich der Geist dieser Richtlinie in der „Lastenhandhabungsverordnung“ des Bundes wieder. Die wacht „über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit“, vor allem dort, wo die Arbeit „für die Arbeitnehmer insbesondere eine Gefährdung der Lendenwirbelsäule mit sich bringt“.

Damit sind zum Beispiel die Müllwerker gemeint. Deren Gefährdung bannte die EU dadurch, dass sie vorschrieb, die Müllbehältnisse müssten eine Griffhöhe zwischen 87,5 und 110 Zentimetern haben und mit Rädern ausgestattet sein. Dann müssen sie nicht mehr getragen, sondern können gerollt werden. Ein Durchbruch für gute und – gesundheitlich – sichere Jobs.

88 500 neue Müllgefäße

Und dann wurden die sogenannten EU-Normbehälter eingeführt. In Waldshut, in Lörrach, in Emmendingen und so weiter. Zum 1. Januar 2013 also auch im Landkreis Tübingen, dem letzten von allen. Das mag mit dem Beharrungsvermögen der Südwürttemberger und ihrem frühen Hang zur Müllvermeidung zu tun haben. In der Universitätsstadt selbst konnte man vor einiger Zeit seinen Müll sogar noch in 25-Liter-Blecheimern aufs Trottoir stellen. Kleine Gefäße sind im Landkreis hoch im Kurs. 90 Prozent der Haushalte haben Restmülltonnen ohne Räder, die 35 oder 50 Liter fassen. Das stellte der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreis bereits früh im Jahr fest. Die müssten ausgetauscht werden.

Dann bestellte man 88 500 neue Behälter und brachte sie von September an unter die Leute im Landkreis. Nun ist die Umstellung auf andere Behälter nicht das einzige Novum. Es gibt künftig auch nicht mehr jährlich andersfarbige Abfallmarken, die man auf die Mülleimer klebt. Die neuen Behälter sind mit Chips ausgestattet. So kann genau erhoben werden, wer wie oft seinen Müll entsorgt haben will. Entsprechend sind auch die Gebühren variabel.

Empirische Prüfung angezeigt

Das schreckt die Leute nicht so sehr. Aber die Optik stört, denn die gewohnten Eimerchen weichen EU-normierten Großtonnen. Damit ein 40-Liter-Behälter auf die europataugliche Höhe kommt, muss man ihn künstlich arg aufpeppen. Für die Abfallerzeuger in Stuttgart, Esslingen, Emmendingen, Waldshut oder Rastatt ist das natürlich ein alter Hut. Aber in Tübingen haben die EU-Norm-Unerfahrenen schon neugierig in ihre Eimer geschaut. Man will ja sehen, wie das da drin aussieht. Und nicht wenigen ist durch den Kopf geschossen: „Was! Das sollen 40 Liter sein?“

Empirische Prüfungen folgten – und wurden zum Politikum. Mehrere Tester stellten unabhängig voneinander fest, dass in das als 40-Liter-Behältnis ausgegebene Exemplar nur 35 Liter passten. Wasser wohlgemerkt, damit lässt es sich eben am einfachsten messen. Dass die neuen Gefäße optisch kleiner wirken, ist auch den Abfallwerkern des Landkreises aufgefallen. Doch entsprächen sie absolut der Norm, „sofern das Volumen des Deckels mit berücksichtigt wird“. Der nämlich ist gewölbt. Die Ausbuchtung fasst sogar sechs Liter – allerdings halt nicht Wasser oder lose Asche oder Streu aus dem Katzenklo. Da muss dann schon noch eine Tüte drumherum, sonst hat man die Sauerei auf der Straße.

Ob der eine Liter als Zugabe dafür gedacht ist? Vielleicht wissen das ja die Leute in Stuttgart, Esslingen oder Waldshut, die mit diesen Kübeln schon lange hantieren.