Die Gemeinde hat sich mit anderen europäischen Kommunen und Unternehmen für ein EU-Projekt beworben, um Gebäude aus Stroh zu fördern. Die Geschichte über ein zunächst gescheitertes Projekt – und auch über neue Verbindungen.

Hemmingen - Der Hemminger Bürgermeister Thomas Schäfer und zwei Amtskollegen aus Italien und Rumänien hatten eine Zeitlang viel Stroh im Kopf. Sie hatten sich mit zwei italienischen, einem tschechischen und einem englischen Unternehmen um die EU-Förderung für ein ganz besonderes Projekt beworben: den Bau ökologischer und gleichzeitig günstiger Gebäude aus Stroh. Das Material gibt es in Hemmingen reichlich. Nicht nur deshalb war das Interesse Schäfers geweckt. Ihm ging es zudem um neue Netzwerke – die sollen auch fortbestehen, selbst wenn es nun doch keine Förderung gibt.

 

Im Zentrum des Projekts „Nesos“ (New eco-social housing model based on straw bale buildings) steht der Architekt Alfredo Roncalli und seine Firma Izar. Er sieht Strohhäuser als zukunftsträchtig an, weil nicht nur das Interesse an Gebäuden mit einem ökologischen Fußabdruck nahe null zunehme, sondern auch der Bedarf an günstigem Wohnraum. Beides könne man kombinieren, um Synergien zu schaffen, schrieb er in den Förderantrag.

Die Vorteile des Materials liegen für ihn auf der Hand: Stroh sei ein Abfallprodukt, zudem dämme es gut, weshalb die Energierechnungen für die Bewohner günstiger ausfielen. Zudem sei wegen weiterer ökologischer Materialien die Gefahr geringer, krank zu werden. Die einzelnen Wände des Hauses – Strohballen, eingefasst mit Balken aus gepresstem Stroh einer tschechischen Firma – sollten wie in einem Baukastensystem möglichst flexibel aufgestellt werden können, um bei den Größen variieren zu können, so eines der Ziele.

Eine größere Gefahr von Bränden oder Mäusen und Ratten gebe es nicht, erklärt Barbara Jones, die Inhaberin von Straw Works. Sie gilt laut Roncalli als europaweit am erfahrensten im Bauen mit Stroh. Jones hätte sich bei dem Projekt vor allem um ein Design kümmern sollen, mit dem die Gebäudekosten reduziert werden, während die italienische Firma Acli Casa, spezialisiert auf sozialen Wohnungsbau, das Projekt verantwortet und das erste Gebäude finanziert hätte.

EU lehnt die Förderung ab

Doch genau das war eines der Probleme für die EU. Denn von den beantragten rund 6,2 Millionen Euro wären 5,2 Millionen Euro für den Part von Acli Casa entfallen, 250 000 Euro auf Izar – insgesamt viel zu viel, so der Bescheid aus Brüssel. Zudem monierte die EU, dass Informationen fehlten, etwa zur genauen Ausführung der Gebäude und verwendeter Energiesysteme. Es sei auch nicht klar genug gemacht worden, wie es die Wettbewerbsfähigkeit der EU verbessern könne. Letztlich gab es nur fünf von zwölf Punkten.

Das EU-Projekt ist damit zwar vorerst gescheitert – doch für den Hemminger Bürgermeister gibt es auf jeden Fall schon jetzt einen Gewinn: die neuen Kontakte, die er halten und ausbauen will.

So ungewöhnlich wie das Projekt ist auch die Vorgeschichte aus Hemminger Sicht. Die beginnt bei Alberto Barzano, Mitglied des italienischen Zweigs der Varnbüler-Familie aus Almenno San Bartolomeo, damals Rektor der Verwaltungshochschule in Mailand. Darüber hatte er auch eine Verbindung zum Kreis Ludwigsburg. Und bei einem seiner Besuche erwähnte der Landrat Rainer Haas, dass Hemmingen noch keine Partnergemeinde, aber durchaus Interesse habe. 2012 gab es die ersten Besuche mit Vertretern des Örtchens – und die ersten Versuche für ein gemeinsames Projekt, so Schäfer. Damals sei es den Italienern um die Förderung von Fotovoltaikanlagen auf kommunalen Gebäuden gegangen, was dann aber aus rechtlichen Gründen nicht umgesetzt wurde.

Vorigen Herbst machten die Italiener einen neuen Anlauf, wieder mit Almenno San Bartolomeo als Projektort. Mit an Bord holten sie das rumänische Calafat, weil sie ein großes Netzwerk spannen und bei ihrer Bewerbung weiter punkten wollten. Denn EU-geförderte Projekte sollten möglichst trinational sein und auch die neuen Mitgliedsländer einbinden, erklärt Schäfer.

Alles in allem also eine Idee, die auch bei Schäfer ankam, zumal es heute schwierig sei, neue Städtepartnerschaften zu etablieren. Projekte seien eine gute Alternative. Auch wenn das wie im Fall des Strohhauses nicht immer einfach war. Die größte Hürde sei die Verständigung gewesen. Vor Weihnachten nutzte Schäfer deshalb für eine Telefonkonferenz sein eigenes Netzwerk und suchte via Facebook nach Hemmingern mit Italienischkenntnissen.

Dabei wurde auch die Rolle seiner Kommune klarer: Über Kongresse und die Zusammenarbeit mit Institutionen wie der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart sollte die Idee verbreitet und gezeigt werden, dass sie eins zu eins auch auf andere Länder übertragbar sei. Aus diesem Grund reichte Hemmingen auch eine Skizze ein, wie sich das Projekt auf einem gemeindeeigenen Grundstück in der Hochdorfer Straße umsetzen lassen könnte.

Neuer Versuch?

Vielleicht könnte es eines Tages doch noch klappen. Denn der Architekt Roncalli kündigte auf Nachfrage an, sich mit dem Projekt vielleicht schon kommendes Jahr erneut zu bewerben. Es sei schließlich ein „wichtiges Zeichen für die kommende Generation“. Dazu müsste dann die Bauweise stärker bekannt gemacht werden, und Regierungen oder Banken sollten Fonds auflegen, um interessierte Geldgeber zu Investitionen zu ermutigen. Thomas Schäfer freute sich über die Nachricht, dass es eine Neuauflage des Projekts geben soll: „Hemmingen ist wieder mit dabei.“