Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben unter anderem Sanktionen gegen der russischen Präsidenten Wladimir Putin auf den Weg gebracht.

Berlin/Brüssel - Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine haben die europäischen Staats- und Regierungschefs ein umfangreiches Sanktionspaket gegen Moskau auf den Weg gebracht. Nach einer politischen Grundsatzentscheidung vom Donnerstag wurde am Freitag klarer, welche Unternehmen und Personen die Europäer direkt ins Visier nehmen. Auch Russlands Staatspräsident Wladimir Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow sind darunter. Einen Ausschluss russischer Banken aus dem Zahlungssystem Swift wird es zunächst aber nicht geben. Ein Überblick.

 

Welche Sanktion hat die EU beschlossen?

Die Maßnahme mit dem größten Symbolwert ist die direkte Sanktionierung von Russlands Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, damit soll das System im Kern getroffen werden. Neben Putin und Lawrow stehen noch Hunderte weitere Politiker, Diplomaten und Geschäftsleute. Zentrales Ziel ist es aber, die russischen Banken von den EU-Finanzmärkten abzuschneiden. Auf der Sanktionsliste stehen nach einem inoffiziellen Papier die russischen Privatbanken Alfa Bank und Bank Otkritie. Sie sollen sich künftig in der EU kein Geld mehr ausleihen können und dort auch keines mehr verleihen können. Um zu verhindern, dass reiche Russen versuchen, Gelder in der EU in Sicherheit zu bringen, sind Anlagebeschränkungen geplant.

Vorgesehen sind auch Sanktionen gegen den Transportsektor und ein Technologie-Embargo. Deutschland wird zusätzlich zu den EU-Maßnahmen EU auch Garantien für Exporte deutscher Firmen nach Russland und für Investitionen im Land stoppen. „Die Bewilligung von Hermes-Bürgschaften und Investitionsgarantien für Russland ist bis auf weiteres ausgesetzt“, teilte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums mit.

Was passiert mit dem Energiesektor?

Die von Russland nach Deutschland führende Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 hatte die Bundesregierung bereits am Dienstag auf Eis gelegt. Zu den neuen EU-Maßnahmen im Energiesektor gehört ein Exportverbot für Ausrüstung und Technologie, die Russland für die Modernisierung seiner Ölraffinerien benötigt. Ausfuhrverbote für zum Beispiel Erdgas waren zunächst jedoch nicht vorgesehen. Allerdings wird es in EU-Kreisen für möglich gehalten, dass Russland selbst die Versorgung der EU mit Erdgas einstellt. Die EU hängt bislang stark von russischen Gas-Importen ab. Der EU-Kommission zufolge importiert sie 90 Prozent des genutzten Gases, wovon etwa 40 Prozent aus Russland kommen. Die Brüsseler Behörde hält Europas Gasversorgung jedoch für sicher.

Warum wird Russland nicht aus dem Zahlungssystem Swift ausgeschlossen?

Darauf konnten sich die EU-Staaten zunächst nicht verständigen. Die drei größten EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich und Italien sollen sich dagegen ausgesprochen haben – so stellt es auch die Bundesregierung dar. Auch Österreich, Zypern und Ungarn sollen Einwände haben. Kanzler Olaf Scholz (SPD) argumentiert, dass die Union in der Lage sein müsse, bei den Sanktionen noch einmal nachzulegen, falls es die Situation erfordere. Ein Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System würde Überweisungen nach Russland und aus Russland heraus massiv erschweren und schwerwiegende Folgen für den Handel haben. Es bestehe dann eine hohe Gefahr, das Deutschland „nicht mehr mit Gas, nicht mehr mit Rohstoffen versorgt wird“, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Wie fallen die internationalen Reaktionen auf die Beschlüsse aus?

Die Ukraine hält sie für unzureichend: Jeder, der Zweifel an einem Ausschluss russischer Banken aus Swift habe, müsse verstehen, „dass auch er das Blut unschuldiger ukrainischer Frauen, Männer und Kinder an der Hand“ haben werde, meint der Kiewer Außenminister Dmytro Kuleba. Auch die Regierungen in Washington und London sind unzufrieden mit den Brüsseler Beschlüssen, sie halten einen Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System für sinnvoll.

Was meinen unabhängige Experten?

Die Politologin Julia Grauvogel, Sanktions-Expertin am Hamburger Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, sagte unserer Redaktion: „Das Gesamtpaket ist auf jeden Fall beträchtlich.“ Die jetzt beschlossenen Strafmaßnahmen würden mittelfristig einen Effekt haben. Das gelte insbesondere für die Sanktionen, die auf den russischen Bankensektor zielen. Die Expertin schränkte jedoch ein: „Nichts von dem, was jetzt beschlossen wurde, wird unmittelbar Einfluss auf die Kampfhandlungen haben.“ Generell sollten Sanktionen immer die Tür für die Diplomatie offenhalten.