Die EU-Regierungschefs sind sich bei ihrem Treffen in Malta einig, wie sie illegale Zuwanderung auf der östlichen Mittelmeer-Route stoppen wollen. Wie sie dem neuen US-Präsidenten entgegentreten wollen, ist dagegen noch unklar

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Valletta - Der Ort des Treffens ist Zufall, aber er passt: Derzeit führt Malta, der kleinste Mitgliedsstaat der EU, die Geschäfte in der Gemeinschaft und richtet daher den Sonder-Gipfel im eigenen Land aus. Dabei suchen die Regierungschefs vor allem eine Antwort auf die Flüchtlingstragödie, die sich in diesen Wochen pausenlos in unmittelbarer Nähe abspielt. Nur 350 Kilometer ist die Hauptstadt Valletta von der libyschen Küste entfernt. Kalt bläst der Wind vom Mittelmeer am Fort von San Telmo, wo sich einst die Malteser gegen die Osmanen verschanzten.

 

Aus Sicht der Afrikaner ist jetzt Europa die Festung, die für sie immer schwerer zu erobern ist: Immer mehr Menschen werden Opfer von skrupellosen Menschenhändlern, kentern mit ihren Booten, sterben in den Fluten des Mittelmeers. Allein zwischen November und Ende Januar sind laut Schätzung des UN-Kinderhilfswerks (UNHCR) 1354 Einwanderer im Meer ertrunken. Das sind 13 Mal so viele Tote wie im Vorjahreszeitraum, es ist zugleich die höchste Zahl seit Ausbruch der Flüchtlingskrise. Während mit dem umstrittenen EU-Türkei-Deal der Zustrom über die Ägäis so gut wie beendet wurde, machen die Schmuggler an der nordafrikanischen Küste noch immer blühende Geschäfte. 2016 schafften 181 000 Flüchtlinge die Überfahrt von Libyen nach Italien. Die EU geht davon aus, dass in Libyen immer noch 350 000 Menschen meist aus Ländern südlich der Sahara auf ihre Gelegenheit warten. 90 Prozent aller afrikanischen Immigranten passieren mittlerweile das Land.

Die Türkei und Libyen sind kaum vergleichbar

Schnell einigten sich die Regierungschefs in Malta darauf, was die EU tun will. Der EU-Türkei-Deal steht dabei Pate, wie die deutsche Kanzlerin deutlich machte: „Wir wollen die Illegalität unterbinden und den Schmugglern das Handwerk legen.“ Italien hat dazu eine Partnerschaft mit der libyschen Regierung abgeschlossen. Da nur etwa 20 Prozent der illegalen Zuwanderer überhaupt Chancen auf politisches Asyl in der EU haben, soll ihre freiwillige Rückkehr gefördert werden. Sie sollen noch auf afrikanischem Boden informiert werden, wie riskant die Überfahrt ist und wie schlecht die Aussichten sind, dauerhaft bleiben zu dürfen. Die libysche Küstenwache soll von der EU unterstützt werden, um möglichst schon das Ablegen der Boote zu verhindern. Die EU-Kommission hat zugesagt, dafür 200 Millionen Euro sofort zur Verfügung zu stellen.

Allerdings: Die Türkei und Libyen sind kaum vergleichbar. Allein schon, weil es schwerer ist, die 1850 Kilometer lange libysche Küste zu sichern als die kurzen Abschnitte der türkischen Küste, vor denen die griechischen Inseln liegen. Am heikelsten ist ein Punkt der EU-Malta-Erklärung, der wohl vor allem dem deutschen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wichtig ist: Die EU bemühe sich um „angemessene Aufnahmeeinrichtungen“ für die Flüchtlinge vor Ort in Libyen, heißt es in dem Text. Auch soll erreicht werden, dass illegale Einwanderer möglichst wieder direkt in ihre Heimatländer zurück geschickt werden können. Die wenn auch sehr vagen Pläne für EU-Camps in Libyen rufen scharfen Widerspruch hervor. Hilfsorganisationen warnen davor, die Flüchtlinge in Libyen festzuhalten: In dem zerrütteten und von Stammeskonflikten umkämpften nordafrikanischen Land seien sie von Folter, Ermordung, Vergewaltigung und Verschleppung bedroht.

Den populistischen Parteien soll keine Munition geliefert werden

Italien, wo die meisten illegalen Zuwanderer stranden, hat Druck gemacht, damit die EU handelt. Aber auch Deutschland, Frankreich und den Niederlanden lag eine Einigung sehr am Herzen. In allen drei Ländern stehen demnächst Wahlen an. Es geht auch darum, den populistischen Parteien möglichst keine Munition im Wahlkampf zu liefern. Offiziell stand nicht auf der Tagesordnung, wie die EU mit dem Populisten umgehen will, der seit zwei Wochen im Weißen Haus sitzt. Doch US-Präsident Donald Trump war stets präsent. Beim Mittagessen bat der EU-Ratspräsident Donald Tusk dann die drei Regierungschefs, die bereits mit ihm Kontakt hatten, um eine Einschätzung: Angela Merkel, François Hollande und Theresa May. Besonders interessant zu wissen wäre, was Theresa May da hinter verschlossenen Türen zu berichten wusste: Schließlich ist sie die einzige aus dem Kreis, die Trump schon persönlich begegnet ist.

Merkel war vor Beginn des Treffens sichtlich bemüht gewesen, die Wogen zu glätten. Sie forderte die Europäer auf, sich auf sich selbst zu konzentrieren. „Die EU hat ihr Schicksal selbst in der Hand.“ Je mehr sich die Europäer darüber klar seien, welche Rolle der Kontinent in der Welt habe, „desto besser können wir uns um die Pflege des transatlantischen Verhältnisses kümmern“. Andere traten nicht so diplomatisch auf. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern sagte: „Die gefährlichen Aspekte der Politik von Donald Trump sorgen für einige Besorgnis.“ Auch die Chefdiplomatin der EU, die Außenbeauftragte Federica Mogherini, wurde deutlich, als sie sich von Trumps Zuwanderungspolitik absetzte. „Wir glauben nicht an Mauern und Einreiseverbote. Das ist nicht der europäische Weg.“

Die Hoffnung, dass Trump die Europäer einigt, dämpft der EU-Kommissionspräsident

Welchen Weg die EU nach dem Austritt der Briten einschlagen will, darum ging es am Nachmittag. Die britische Premierministerin war dazu nicht mehr willkommen. Im Kreis der 27 wurden die Zukunftspläne erörtert. Wie ein EU-Diplomat mitteilte, wollte Tusk in einem offenen Gespräch den Gipfel Ende März vorbereiten, wo die EU in der italienischen Hauptstadt das 60-jährige Jubiläum der römischen Verträge begeht. Die Hoffnung, dass Trump die Europäer einigt, dämpfte allerdings bereits EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit der Bemerkung: „Es gibt da einige, die ausbüxen wollen.“