Können säumige Zahler künftig die Weitergabe ihrer Daten verhindern? Der Europapolitiker Jan Philipp Albrecht hält die Sorge der Inkassofirmen für übertrieben.

Stuttgart - Die Inkassounternehmen in Deutschland üben Kritik an den Plänen für eine europäische Datenschutzgrundverordnung. Dabei geht es nach den Angaben von Wolfgang Spitz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU), nicht um den Kern des Vorhabens. Mit der Verordnung sollen nach dem Willen der EU-Kommission und des Europaparlaments private Daten und damit die Privatsphäre angesichts eines immer weiter zunehmenden Datenverkehrs besser geschützt werden. Im Visier sind dabei insbesondere große Datensammler wie Facebook und Google.

 

Einige Regelungen in den Fassungen des Parlaments und der Kommission könnten aber die Existenzgrundlage der gesamten Inkasso- und Forderungsmanagementbranche gefährden, befürchtet der BDIU. Diese Sorge hält der Grüne Jan Philipp Albrecht, Berichterstatter des Europaparlaments für die Datenschutzgrundverordnung, für übertrieben. Das Parlament, so sagte er gegenüber der Stuttgarter Zeitung, habe in seinem Beschluss auf die Bedenken der Unternehmen reagiert.

Die Branche befürchtet, dass Gläubiger künftig nachweisen müssen, dass ihre Schuldner mit der Weitergabe ihrer Daten einverstanden sind. Auch Auskunfteien wären davon betroffen. Spitz: „Die Bonität von Kreditnehmern kann dann nicht mehr zuverlässig ermittelt werden. Das brächte mehr Zahlungsausfälle.“ Inkassofirmen treiben in Deutschland pro Jahr etwa fünf Milliarden Euro für Gläubiger ein.

Ausnahmen nur bei berechtigten Interessen Dritter

Nach den bisherigen Überlegungen wäre es laut der Verordnung, die nach der Verabschiedung in den Mitgliedsländern der EU unmittelbar in Kraft treten würde, grundsätzlich untersagt, dass Daten an Dritte weitergegeben werden, wenn sich der ursprüngliche Zweck der Datenerhebung ändert. Ausnahmen soll es nur im Fall des sogenannten berechtigten Interesses von Dritten geben – wozu das Eintreiben von Forderungen aus Sicht des BDIU momentan nicht gehört. Ein Gläubiger dürfte die Daten eines Schuldners also nicht an eine Inkassofirma weitergeben, wenn die zum Beispiel für die Zusendung einer Bestellung erhobenen Daten nunmehr für den Forderungseinzug verwendet werden sollen. Der Schuldner müsste der Zweckänderung vielmehr zustimmen – wozu er wohl selten geneigt sein wird.

In Deutschland würde die Verordnung die Regeln des Bundesdatenschutzes ersetzen. Spitz: „Bei uns gibt es solch eine Einverständniserklärung bisher nicht – zu Recht. Denn diese Voraussetzung wäre ein großer Unsinn und würde die Rechtsdurchsetzung bestehender Forderungen für die Wirtschaft erheblich erschweren.“ Spitz, der in Baden-Baden das Unternehmen Infoscore betreibt, glaubt nicht, dass sich die Änderungen einfach durch die Ergänzung von Formularen umsetzen lassen, da die sogenannte informierte Einwilligung (englisch: informed consent) verlangt wird. Diese Zustimmung nach erfolgter Aufklärung ist aus der Medizin bekannt: Vor einem Eingriff muss der Patient über Folgen und mögliche Risiken aufgeklärt werden. Lenz Queckenstedt vom Verbraucherzentrale Bundesverband beharrt aber darauf, dass ein Verbraucher bei Vertragsabschluss sehr wohl erfahren soll, was geschieht, wenn er seine Rechnung nicht bezahlt.

Mit der Datenschutzgrundvereinbarung haben sich mittlerweile im EU-Rat auch die Innenminister befasst. Spitz lobt Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der sich dafür eingesetzt habe, den Datenschutz stärker auf die Social-Media-Welt im Internet auszurichten und nicht grundsätzlich alles von der Zustimmung des Betroffenen abhängig zu machen. „Es ist gut, dass sich der Bundesinnenminister für die deutsche Rechtsgrundlage stark gemacht hat“, sagte Spitz. Das entspricht aus seiner Sicht auch insgesamt der Position der Innenminister. Die drei europäischen Institutionen – Kommission, Parlament und Rat – müssen nun in den nächsten Wochen im Rahmen eines sogenannten Trilogs zu einer gemeinsamen Position kommen. Grünen-Politiker Albrecht ist optimistisch, dass es zu einer Lösung kommt, die es erlaubt, Rechtsansprüche auch ohne Einwilligung des Schuldners durchzusetzen: „Wir sind eng beieinander“, sagte er.